Klage gegen den Hamburger Flughafen: Flughafen könnte illegal sein

Vor dem Oberverwaltungsgericht klagen zwei Hamburger gegen den Flughafen wegen zu vieler Flüge über dem Stadtgebiet.

Ein Flugzeug fliegt über dem Dach eines Hauses.

Das kann wirklich nerven: Landeanflug über Hamburg-Niendorf Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Flughafen Hamburg könnte ein Schwarzbau sein. Das wäre die Konsequenz aus der Argumentation der Hamburger Bürgerinitiativen gegen Fluglärm (BIG).

Der Planfeststellungsbeschluss für den stadteigenen Airport in Fuhlsbüttel „ist ungültig wegen unzureichender Einbindung von Schutzbestimmungen für die Bevölkerung“, sagt die BIG-Vorsitzende Margarete Hartl-Sorkin. Weil die Stadt Hamburg keine aktuelle Betriebserlaubnis für den Flughafen vorlege, haben nun zwei Anwohner aus dem Hamburger Südwesten Klage vor dem Oberverwaltungsgericht erhoben.

Konkret geht es um die Verbindlichkeit der sogenannten Bahnbenutzungsregeln. Sie legen fest, welche der beiden Start- und Landebahnen in welche Richtung zu benutzen sind. Danach sollen Starts vornehmlich in Richtung Nordwesten erfolgen, weil die Region bis nach Quickborn deutlich weniger besiedelt ist als das Hamburger Stadtgebiet.

In Richtung Südosten über die Innenstadt soll gar nicht gestartet werden, auch die – leiseren – Landungen sollen nach 22 Uhr aus Nordwesten erfolgen. Die tatsächliche Verteilung indes sah 2017 ganz anders aus, auch die vorläufige Statistik für das erste Halbjahr 2018 zeigt keine Änderungen.

Der Flughafen Hamburg hat zwei sich kreuzende Start- und Landebahnen. Sie verlaufen von Nordwest nach Südost und von Südwest nach Nordost.

Im Jahr 2017 verteilten sich die Flugbewegungen nach Angaben des Flughafens Hamburg wie folgt:

Nach Nordwest (Norderstedt, Quickborn): 52.140 (65,9 %) Starts und 17.670 ( 22,0 %) Landungen.

Nach Südwest (Niendorf, Blankenese): 22.528 (28,5 %) Starts und 10.567 (13,5 %) Landungen.

Nach Nordost (Langenhorn, Hummelsbüttel): 2.997 (3,8 %) Starts und 47.111 (59,5 %) Landungen.

Nach Südost (Alsterdorf, Hamm) 1.447 (1,8 %) Starts und 3.794 (5,0 %) Landungen.

„Die Bahnbenutzungsregeln werden fast ständig gebrochen“, sagt der Rechtsvertreter der beiden Kläger, der Berliner Verwaltungsrechtler Karsten Sommer. Im vorigen Jahr sei das „an 364 von 365 Tagen der Fall gewesen“, hat er nachgerechnet: „Die Ausnahme darf aber nicht die Regel werden“, sagt Sommer. Wenn das aber der Fall sei, geschehe das ohne rechtliche Grundlage. Für den faktischen Betrieb des Flughafens gebe es „keine einheitliche Genehmigung“, so der Rechtsanwalt.

Die Klage begrüßt auch Martin Mosel, Sprecher des Arbeitskreises Luftverkehr beim hiesigen Umweltverband BUND: „Noch nie gab es am Hamburger Flughafen derart viele Regelverstöße und Umgehungen der Schutzbestimmungen für die Bevölkerung“, sagt Mosel. Der BUND hat eine Volkspetition bei der Bürgerschaft eingereicht, das Nachtflugverbot in Fuhlsbüttel zum Schutz der Anwohner auszuweiten. Deshalb läuft die Auseinandersetzung über den Flugbetrieb auf dem Helmut-Schmidt-Airport nun sowohl auf der politischen wie der juristischen Bühne.

Beide Vorgänge betrachtet die Wirtschafts- und Verkehrsbehörde gelassen. „Natürlich hat der Flughafen eine gültige Betriebserlaubnis“, sagt Behördensprecherin Susanne Meinecke. Sie stamme von 1956, sei mehrfach angepasst worden und enthalte auch die Bahnbenutzungsregeln. Die aber kämen nur zur Anwendung, wenn die Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung „aufgrund von Verkehrs- und Wetterlage imstande sind, auf die Bahnbenutzungsregeln Rücksicht zu nehmen“.

Wegen der in Hamburg „vorherrschenden Westwinde“ würden aber viele Starts und Landungen entgegen der Benutzungsregeln nach Südwesten abgewickelt, heißt es auf der Website der Umweltbehörde zum Thema Fluglärm und Bahnverteilung. Das ist da, wo die beiden Kläger wohnen.

Klingt nach notwendiger Klärung eines Präzedenzfalles: Gilt deutsches Verwaltungsrecht etwa nur bei Sonnenschein und Windstille?

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