Klage von Antifa-Band-Fotograf: Fischfilet im Jahresbericht

Der Fotograf einer Antifa-Punkband verklagte den Verfassungsschutz wegen einer Urheberrechtsverletzung. Jetzt entschied das Landgericht.

Auslöser des Streits: Dieses Promo-Bild der Band Feine Sahne Fischfilet. Bild: Ole Olé

BERLIN taz | Vor dem Sitzungssaal des Landgerichts herrscht Feierstimmung. „Wir wollen noch ein Bier in der ’Letzten Instanz‘ trinken“, sagt Sebastian Pohle. Um ihn herum stehen Freunde und Bekannte in Kapuzenpullis und mit Piercings, die darauf warten, in das Lokal dieses Namens nahe der Gerichtssäle in Berlin-Mitte zu gehen.

Gerade ist die Verhandlung zu Ende gegangen, und das Urteil ist für den freien Fotografen Pohle – schmaler, großer Typ, 29 Jahre alt – wohl positiv. „Davon kann man ausgehen“, sagt dessen Anwalt Sebastian Sudrow. „Das schriftliche Urteil steht zwar noch aus, aber es wird wohl keine Überraschungen geben.“ Dort dürfte dann stehen, dass der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern (VS) gegen das Urheberrecht verstoßen hat.

Dabei geht es um ein Foto Pohles, es zeigt die Antifa-Punkband Feine Sahne Fischfilet und soll zu Promozwecken – für Musikmagazine, Fanzines oder Blogs – genutzt werden. Dann aber tauchte es ohne Einwilligung des Fotografen in einer ganz besonderen Gazette auf: dem Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern 2012. Feine Sahne Fischfilet ist dort gelistet – mit der Begründung der „linksextremistischen Aktivitäten und Inhalte“ der Gruppe.

Mit dem Foto, auf dem sämtliche Bandmitglieder zu sehen sind, meinte der VS den Absatz zu der Punkband (im Kapitel „Strukturen des linksextremistischen Antifaschismus“) illustrieren zu müssen. Wobei man es nicht für nötig hielt, in dem gleichen Bericht etwa Fotos von Nazikadern oder salafistischen Terroristen abzubilden.

Gefährliches T-Shirt

„Ob die Veröffentlichung dieses Fotos erforderlich war, da haben wir so unsere Zweifel“, sagt der Vorsitzende Richter am Dienstagmittag im schlichten, holzvertäfelten Saal des Landgerichts. Als der Mann mit der weißen Krawatte und der hohen Stirn dann noch hinzufügt, dass wohl eine „schlichte Urheberrechtsverletzung“ vorliege, der Fall doch recht eindeutig sei, hellen sich die Mienen der etwa 15 Freunde des Fotografen im Saal – auch der Fischfilet-Trompeter ist gekommen – auf. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte das nämlich zuvor noch anders gesehen und die Klage Pohles abgewiesen, der in Berufung ging.

Diesmal entscheidet der Richter, dass Paragraf 45 des Urheberrechtsgesetzes hier nicht zuträfe. Dort heißt es: „Gerichte und Behörden dürfen für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit Bildnisse vervielfältigen oder vervielfältigen lassen.“ So sehr sei die öffentliche Sicherheit durch Feine Sahne Fischfilet dann doch wohl nicht gefährdet, sagt er in fast lakonischem Tonfall.

Die Gegenseite sieht das naturgemäß anders. Vom mecklenburgischen Innenministerium sind die Herren Wiedermann und von Gayl nach Berlin gereist. Wiedermann weist darauf hin, dass doch Slogans wie „FCK CPS“, das auf dem T-Shirt eines der Bandmitglieder zu sehen ist, wohl von einem gewissen Gefahrenpotenzial zeugten.

Wenn Eltern den Verfassungsschutzbericht läsen, könnten sie durch das Foto zu der Überzeugung gelangen: „Nein, in diese Szene gebe ich meine Kinder nicht.“ Außerdem reiche „Prosatext“ manchmal eben nicht aus, um Sachverhalte darzustellen. In den hinteren Reihen, unter den jungen Menschen mit Jeans und Sneakers, sorgen diese Bemerkungen für Amüsement.

Die Folgen des mutmaßlichen Urteils betreffen nicht nur Sebastian Pohle. Zunächst mal wird der Verfassungsschutz das Foto entfernen müssen, klar. Ferner wird er Pohle für die temporäre Nutzung wohl entschädigen müssen. Aber dann wird es auch den generellen Umgang mit Abbildungen und Fotos in VS-Berichten – in mehreren Ländern wird da nämlich nicht nur mit „Prosatext“ gearbeitet – verändern. Weitere Verhandlungen könnten folgen.

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