Klage von KZ-Überlebender abgewiesen: Münchner Gericht gegen Opferrente

Die Auschwitz-Überlebende Eva S. möchte nach dem Urteil des Landsgerichts in Berufung gehen. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma spricht von einem „Skandal“.

Das KZ Auschwitz-Birkenau. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Das Landgericht München hat die Klage einer Auschwitz-Überlebenden abgewiesen, die als Witwe eines KZ-Häftlings einen Anspruch auf Opferrente geltend machen wollte. „Diesen Fall kann man nur als Skandal bezeichnen“, sagte Arnold Rossberg, Justiziar des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und Vertreter der Klägerin. Die 82-jährige Eva S. ist wie ihr verstorbener Mann Angehörige der Minderheit der Sinti. Sie wird in Berufung gehen.

Eva S. lebt von 730 Euro Rente im Monat. Vor dem Landgericht München ging es um eine Rente von 970 Euro. Ihr Mann Frank wurde 1943 mit seinen Eltern und fünf Geschwistern zunächst ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. SS-Angehörige erschlugen vor seinen Augen den Vater, Frank S. wurde zwangssterilisiert. „Diese maximalen psychischen Traumata finden in den Gutachten, die dem Gericht vorgelegt wurden, keine Berücksichtigung“, sagte Rossberg. Die vielen physischen Leiden ebenfalls nicht. Unter den Gutachtern war keiner, den die Klägerseite vorgeschlagen hatte.

Seit der Befreiung aus dem Konzentrationslager litt Frank S. unter anderem an Nierenerkrankungen, Depressionen und massiven Herzproblemen. „Die Gutachter sehen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen entweder als nicht verfolgungsbedingt oder als nicht gravierend genug an“, berichtete der Justiziar. In den 50er Jahren hatten Gutachter Frank S. ein verfolgungsbedingtes Herzleiden attestiert.

Er ist an einer Herzerkrankung gestorben. Doch die jetzigen Gutachter bestreiten, dass die Todesursache auf die Verfolgung zurückgeht. Sie sprechen unter anderem von einer „familiären Disposition“. Das ist angesichts der Ermordung vieler Familienmitglieder zynisch, findet der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose.

Vor Gericht zeigten sich die Vertreter der bayerischen Finanzverwaltung am Donnerstag hartleibig. Sie ließen sich auf keinen Vergleich ein, obwohl das Gericht selbst Vergleichsvorschläge unterbreitet hat, berichtete Rossberg. In anderen Bundesländern gab es in solchen Fällen Lösungen. In Nordrhein-Westfalen hatten die Behörden der Witwe eines Auschwitz-Überlebenden Sinto ebenfalls zunächst die Rente verweigert. Die zuständige Bezirksregierung stimmte einem Vergleich zu, dem zufolge die Witwe zwar keine Rente, aber eine Beihilfe in Höhe von 600 Euro monatlich erhält. Das wäre auch eine Lösung für Eva S. – wenn die bayerischen Behörden sie denn wollten.

Hinterbliebene von SS-Angehörigen rechtlich besser gestellt

Für Eva S. gilt das Bundesentschädigungsgesetz. Für Witwen von Wehrmachts- oder SS-Angehörigen dagegen ist das Bundesversorgungsgesetz maßgeblich. Danach können einmal anerkannte gesundheitliche Schädigungen Verstorbener nicht in Frage gestellt werden – anders als beim Bundesentschädigungsgesetz.

„Es ist ein Unding, dass die Hinterbliebenen der Opfer schlechter gestellt werden als die Hinterbliebenen der Täter“, sagte der Zentralratsvorsitzende Rose. Er appelliert an den bayrischen Finanzminister Markus Söder, für Eva S. schnell und unbürokratisch eine Lösung zu finden. Das Ministerium will erst Stellung nehmen, wenn die Urteilsbegründung vorliegt.

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