Klage vor dem Verwaltungsgericht: Surfer gewinnen, Angler verlieren

Kommt der Surf-Spot in Hannovers City? Das Verwaltungsgericht Hannover lehnte jetzt eine Klage des Fischereivereins gegen die „Leinewelle“ ab.

Eine Grafik zeigt die geplante künstliche Welle mit Surfern

So sahen die ersten Projektionen aus für die perfekte Welle mitten in der Stadt Foto: Eric Meier/dpa

HANNOVER taz | Vielleicht kommt sie jetzt doch, die Leinewelle. Dann könnte man mitten in Hannover surfen. So wie auf dem Eisbach in München. Das ist das große Vorbild, so etwas will Heiko Heybey – Architekt, Unternehmer, Gastronom und leidenschaftlicher Surfer für Hannover auch. Seit acht Jahren beschäftigt er sich mit dem Projekt „Leinewelle“. Und fast genauso lange versucht der Fischereiverein, die künstliche Welle auf der Leine zu verhindern. Doch jetzt hat das Verwaltungsgericht Hannover seine Klage abgelehnt.

1,2 Millionen Euro soll das Projekt kosten, die Planung ist komplett, die Angebote der Baufirmen liegen vor, die Sponsoren stehen bereit – sagen Heybey und sein Verein Leinewelle. Die lokale Politik ist begeistert, kein Wunder bei einer zusätzlichen Attraktion für die Stadt, die nichts kostet. Die zuständige Region Hannover hat nach einem langen Prüfverfahren die wasserrechtliche Genehmigung für den Betrieb der Anlage erteilt.

Dagegen hatte der Fischereiverein zuerst Widerspruch eingelegt, als der zurückgewiesen wurde, klagte er. Mit dieser Klage befasste sich nun das Verwaltungsgericht Hannover und zwar gründlich. Im strömenden Regen machte sich die Kammer erst einmal vor Ort ein Bild.

Und das sieht so aus: Der erträumte Surfer-Hotspot liegt wenige Meter flussabwärts vom Landtag mitten in der Stadt – da wo an normalen Samstagen der Flohmarkt stattfindet, denkmalgeschützte alte Mauern für eine pittoreske Kulisse sorgen, Restaurants das Ufer säumen. „Anthropogen überformt“ heißt das im Fachlatein der Gutachter. Alles andere als ein ursprüngliches Stück Natur ist der Fluss hier: Das Bett ist künstlich geschaffen, ein paar Hundert Meter weiter endet er in der für Fische unüberwindlichen Leinewehr.

Ein Habitat für seltene Fischarten?

Der Fischereiverein meint allerdings, hier gäbe es Fische, die die starke Strömung lieben und die man sonst in der Leine kaum angeln könnte. Und auch der Abschnitt zwischen Welle und Wehr sei möglicherweise ein wertvolles Habitat für Arten wie die Koppe, Steinbeißer und Flußneunauge.

Ursprünglich hätte die Leinewelle sogar direkt hinter dem Wehr liegen sollen, das biss sich dann aber mit der Bannmeile um den Landtag und vielleicht auch ein bisschen mit der Würde und Bedeutung dieses Ortes – bei aller politischen Begeisterung.

Die Unüberwindlichkeit des Leinewehrs spielt aber in mehr als einer Hinsicht eine Rolle: Einerseits erleichterte es die Genehmigung, weil sich die Auswirkungen natürlich in Grenzen halten, wenn der Fluss hier ohnehin eine „Sackgasse“ ist.

Andrerseits witterte der Fischereiverein hier einen Hebel, ein Projekt durchzusetzen, das ihm schon länger am Herzen liegt: Eine Fischtreppe, die das Wehr überwindlich macht. Dafür, ließ der Verein anfangs durchblicken, würde er sogar diese lästigen Surfer in Kauf nehmen.

Doch dieses Kompromissangebot scheiterte, wie das Gericht bedauernd erläuterte. Für einen kleinen privaten Verein wie die Leinewelle war das nicht zu stemmen. Und die Landeshauptstadt Hannover, die hier zuallererst zuständig wäre, hat erst einmal andere Dinge auf der To-do-Liste.

Der Kläger zielt vor allem auf den Verwaltungsvorgang

Deshalb verbiss sich der Fischereiverein dann in die Ablehnung des Projektes und suchte an allen Ecken und Enden nach einer Möglichkeit, die Genehmigung für ungültig erklären zu lassen. Hätte es nicht doch eine große Umweltverträglichkeitsprüfung geben müssen statt der kleineren UVP-Vorprüfung, die keine Hinweise auf erhebliche ökologische Beeinträchtigungen gefunden hatte?

Hätte es nicht ein Planfeststellungsverfahren mit einem ausgiebigen Erörterungstermin geben müssen statt eines einfachen Genehmigungsverfahrens? Sind das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und die Fischereirechte nicht in der Abwägung der Behörde zu kurz gekommen?

Nein, nein und nochmal nein, befindet das Gericht nachdem es die verwaltungsrechtlichen Untiefen des Verfahrens erörtert hat. Das Verfahren sei sauber gelaufen und der Fischereiverein habe nicht glaubhaft darlegen können, warum nun ausgerechnet dieses überschaubare Stückchen Fluss (die Rede ist von etwa zwölf Metern) so wertvoll sei, sagt der Richter.

Oder welche konkreten katastrophalen Auswirkungen denn hier nun zu befürchten seien – immerhin hat die Leinewelle ja sogar eine ausgefeilte Fischtreppe, einen Ökopass, vorgesehen, um den Flussabschnitt für Fische passierbar zu halten. Und die Region hat ein Monitoring angeordnet und die Genehmigung vorsichtshalber unter dem Vorbehalt erteilt, dass diese Schutzmaßnahme auch funktioniert.

Angler sehen Fische missachtet

Die Vertreter*innen des Fischereivereins geben sich nach dem Urteil verschnupft. „Es ist typisch, dass Fischarten immer weniger geschätzt werden als Vögel oder Säugetiere“, sagt der Vorsitzende Heinz Pyka. Die Rechte von Anglern werden einfach übergangen, weil das Projekt politisch so dringend gewünscht wird, glaubt er. Ob man nun noch einmal in die Berufung geht, könne er aber nicht allein entscheiden, da müsse er erst Vorstand und Präsidium konsultieren.

Der Richter hatte die Berufung ausdrücklich zu gelassen und die Leinewelle noch einmal ermuntert den Anglern doch ein Vergleichsangebot zu unterbreiten.

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