Klagewelle der NPD: Niederlagen lohnen sich

Regierungsvertretern wird von der NPD die Verletzung der Neutralitätspflicht vorgeworfen. Die Partei klagt vermehrt an Verfassungsgerichten.

Offenbar unbeliebt: NPD-Plakat. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Es wirkt wie eine neue Strategie: Sobald ein staatlicher Amtsträger zum Widerstand gegen die NPD aufruft, verklagt sie ihn vor dem jeweils zuständigen Verfassungsgericht. Am Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Organklage der NPD gegen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD).

Schwesig hatte Ende Juni in einem Interview mit der Thüringer Landeszeitung gesagt: „Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt.“ Sie werde im Thüringer Wahlkampf „mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt“. NPD-Anwalt Peter Richter sieht darin eine Verletzung der parteipolitischen Neutralität durch ein Regierungsmitglied.

Anfang Juni hatte Karlsruhe über eine ähnliche Klage gegen Bundespräsident Joachim Gauck entschieden. Dieser hatte NPD-Anhänger als „Spinner“ bezeichnet. Karlsruhe billigte ihm zu, dass er als Staatsoberhaupt Gefahren für die Demokratie offen ansprechen könne. Er könne dabei auch selbst entscheiden, ob er sich neutral äußere oder die von ihm identifizierten Gefährder offen benenne.

Für eine Ministerin passt das Urteil freilich nicht. Bei Regierungsmitgliedern gilt eine Pflicht zur Neutralität, insbesondere in Wahlkämpfen. Wie Anti-NPD-Aufrufe trotzdem juristisch gerechtfertigt werden können, zeigen zwei Urteile aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz.

Wiedereinzug der NPD verhindern

Malu Dreyer, die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, hatte im April vor den Kommunalwahlen in Pirmasens auf einer SPD-Veranstaltung gesagt, es müsse „alles daran gesetzt werden, um den Wiedereinzug der rechtsextremen NPD in den Stadtrat zu verhindern“. Der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz hielt die Aussage in einem Urteil vom Mai für zulässig, weil Dreyer sich nicht als Regierungschefin geäußert habe, sondern „in ihrer privaten Eigenschaft als Mitglied der SPD und als politisch engagierte Bürgerin“.

Dafür spreche schon der Rahmen. Als Privatperson habe sie das Recht, für die Wahl der eigenen aufzurufen und vor der Wahl einer konkurrierenden Partei zu warnen. Dass Dreyer bei der Veranstaltung als Ministerpräsidentin angekündigt wurde, ändere daran nichts. Das Amt müsse „im privaten Zusammenhang nicht verleugnet“ werden.

Anders der Ansatz des Verfassungsgerichtshof des Saarlands in einem Urteil von Anfang Juli. Dort ging es um Äußerungen von Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD), der die NPD bei einer Veranstaltung des Netzwerks „Schule ohne Rassismus“ als „Mob“, „braune Brut“ und „Wiedergänger der alten Nazis“ bezeichnet hatte.

Erziehung der Jugend

Nach Ansicht der saarländischen Richter handelte es sich zwar um amtliche Äußerungen, es gehöre aber zu den Aufgaben der Landesregierung, „vor Gefahren zu warnen“. Der Kultusminister müsse die Bildungsziele der Saar-Verfassung vertreten, insbesondere die Erziehung der Jugend zu einer „freiheitlich-demokratischen Gesinnung“. Dabei dürfe er auch „scharf und einprägsam“ formulieren, er sei nicht zu „verbaler Sterilität“ verpflichtet.

Auch wenn die NPD vor Gericht regelmäßig verliert, lohnen sich die Klagen für sie. Das Einschalten von Verfassungsgerichten sorgt für Aufmerksamkeit. Werden die Klagen abgelehnt, kann sich die NPD als Opfer des Systems präsentieren.

Das nächste Verfahren ist bereits eingeleitet. Verklagt wurde Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD). Sie hatte zu Protesten gegen einen NPD-Landesparteitag aufgerufen und dies auf der Homepage ihres Ministeriums veröffentlicht. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof wird über die NPD-Klage voraussichtlich noch vor der Landtagswahl im September verhandeln.

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