Klassik für alle: Die leichte Muse an Silvester

Das alljährliche Silvesterkonzert der Klassikphilharmonie Hamburg ist mit Hits aus dem Klassik-Repertoire, bunten Luftballons und etwas aufgelockerten Ritualen auch was für Einsteiger ins Genre.

Beim Silversterkonzert feiert das Publikum auch sich selbst. Bild: Hinrich Schulze

HAMBURG taz | Auf den Balustraden der vorderen Logen liegen Bastelscheren bereit. Kurz vor Ende des Silvesterkonzerts huschen Frauen mit Luftballons an Schnüren geduckt die Gänge entlang, greifen nach den Scheren, durchschneiden die Schnüre und lassen die Ballons frei. Die sinken gemächlich ins Parkett hinab und das Publikum reißt die Arme in die Höhe. Sie stupsen die Ballons an, halten sie so in der Luft und einige fliegen auf die Bühne zu den Geigern und Bratschisten. Das Publikum im wunderschönen Großen Saal der Laeiszhalle feiert sich selbst und die Klassikphilharmoniker.

Seit 1986 spielt die Klassikphilharmonie Hamburg am Silvesterabend in der Laeiszhalle als Kammersinfonieorchester mit 55 Musikern auf. Dieses Jahr stehen etwa das Walzerlied von „Romeo und Julia“, die Arie der Butterfly aus Puccinis „Madame Butterly“ und Rossinis Ouvertüre zu „Semirade“ auf dem Programm. Als Zugabe gibt es bei diesen Silvesterkonzerten gern etwa den Radetzky-Marsch, also was bekannt Schwungvolles zum Mitklatschen und Schunkeln. Selbst Klassik-Neulinge erkennen die Stücke in den Zugaben bereits an den ersten Takten. Das Publikum goutiert die Hits und begrüßt jubelnd die ersten Töne von dem Präludium aus „Carmen“. So als spielte die Lieblingsband endlich nach einem langen Konzertabend nur mit Stücken von der neuen Platte endlich das eine Lied, das sie vor 30 Jahren mal bekannt machte.

Das Orchester selbst nennt diese Silvesterabende seine „Öffnung hin zur leichten Muse“ und dem Publikum gefällt’s. Es gefällt ihnen auch, weil die Regeln nicht ganz so streng sind, wie bei klassischen Konzerten sonst üblich. Die Luftballons sind ein Zeichen für erwünschte Ausgelassenheit. Auch Zwischenapplaus und Juchzen sind willkommen. Die Stimmung im Großen Saal erinnert an die seit 1996 jährlich stattfindete „Hamburg Proms – Last Night“, bei dem auch die klassischen Konzertrituale fehlen und das Publikum singender- und pfeifenderweise Teil des Konzertes wird.

1978 wurde das Orchester vom mittlerweile über 80-jährigen Schweizer Dirigenten Robert Stehli als Hamburger Mozart-Orchester gegründet. Der Name war Programm, sie spielten vor allem Mozart. Am 28. Juni gab das Orchester sein erstes Konzert im Kleinen Saal der Laeiszhalle, die damals noch Musikhalle hieß. Zufriedenes Publikum und wohlwollende Presse waren das Ergebnis. Gleich im Gründungsjahr spielte das Orchester 13 Konzerte im norddeutschen Raum. Heute reicht ihr Repertoire weit über Mozart hinaus von Klassik, leichter Muse über Filmmusik bis zum Jazz. Und wegen dieser musikalischen Öffnung haben sie sich 2011 auch in Klassikphilharmonie umbenannt.

Am Endes Konzertes spuckt die Laeiszhalle die Besucher wieder aus und die schlendern zu Fuß von der hell erleuchteten Konzerthalle weg. Kleine Grüppchen, die Frauen haben sich bei den Männern untergehakt, er im Anzug, sie in Kleid oder Kostüm. Alle sind sie heiter, plaudern entspannt. Ganz offensichtlich hatten sie einen schönen Abend.

Silvesterkonzert der Klassikphilharmonie Hamburg: 31. Dezember, 19 Uhr, Großer Saal der Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz
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