Klimaforscher über Berlin-Wetter: "So ein Wetter hatten wir schon öfter"

Auch wenn der Winter mild ist - extrem ist das noch nicht, sagt Klimaforscher Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe. Erst wenn es im Januar so warm bleibt, wird's außergewöhnlich.

taz: Herr Gerstengarbe, wir erleben gerade in der Region einen Winter, der deutlich wärmer ist als die beiden vorangegangenen. Sind das schon Wetterextreme?

Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe: Nein, bislang nicht. Es ist sicher vergleichsweise warm, aber solche Situationen haben wir schon öfter gehabt. Das berühmte Weihnachtstauwetter tritt in 60 bis 65 Prozent der Fälle auf. Ob es extrem wird, zeigt sich aber erst über einen längeren Zeitraum.

Was wäre denn extrem?

forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Seine Habilitation verfasste er zum Thema "Definition und Beschreibung klimatologischer Extreme".

Wenn das milde Wetter noch weit in den Januar hineinreicht. Das wäre nicht normal, und das ist in der Form auch nicht beobachtet worden.

Gäbe es dann einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?

Nein, denn durch ein einzelnes Ereignis lässt sich der Klimawandel nicht beschreiben. Dafür müsste man solche Phänomene häufiger haben, und das in globalem oder mindestens in kontinentalem Maßstab.

Und sehen Sie da eine Zunahme?

Ja, besonders in den vergangenen drei Jahrzehnten. Das hat beispielsweise die Münchener Rück aufgezeichnet, die Versicherer müssen ja schließlich für Schäden aufkommen.

Wann lässt sich über ein Wetterphänomen sagen, ob es eine Folge des Klimawandels ist?

Bei einem Einzelphänomen muss man immer vorsichtig sein. Wir sehen sie uns im Ensemble an. Dazu gehört natürlich die Trockenheit in Russland in diesem Sommer, genauso wie die Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr, die in der Stärke vorher nicht aufgetreten waren. Oder die Tornadosaison dieses Jahr in den USA, die so heftig war, wie es noch nie zuvor beobachtet wurde. Diese Häufung ist ein deutlicher und starker Hinweis darauf, dass wir uns mitten im Klimawandel befinden und dass er bereits seine Wirkung zeigt.

Ab wie vielen milden Wintern würden Sie überlegen, ob die auf den Klimawandel zurückzuführen sind?

Das kann man mit einer Zahl nicht festlegen. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren verhältnismäßig kalte Winter gehabt. Die Winter davor waren allerdings die zehn wärmsten seit Beginn der Beobachtungen, und das ist ein deutlicher Hinweis auf den Klimawandel. Man muss aber beachten, dass der Ausschlag nicht nur in eine Richtung geht. Wenn es durch den Klimawandel global wärmer wird, werden nicht unbedingt alle Winter bei uns wärmer.

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