Klimapolitik der FDP: Ziellos und irreführend

Die FDP gibt sich in der Klimapolitik progressiv. Sie benennt Instrumente wie den Emissionshandel, aber keine Ziele, die damit erreicht werden sollen.

Jugendliche demonstrieren mit Plakaten

Klimawandel aus Sicht der FDP: Der Wettbewerb soll's richten Foto: dpa

Wenn die FDP sich in der Vergangenheit zum Klimaschutz ausgelassen hat, dann wurde es vor allem skurril. So hat vor einem halben Jahr Nicola Beer, inzwischen Vizepräsidentin des EU-Parlaments, behauptet, dass Klimaforscher den anthropogenen – menschengemachten – Klimawandel als kleinen Ausschlag ansehen, dessen Brisanz überschätzt sei. Und der Bundesvorsitzende der Partei, Christian Lindner, reibt sich gern sowohl an der Klimabewegung Fridays for Future, der er Kompetenz und das Recht abspricht, während der Schulzeit für mehr Klimaschutz zu protestieren, als auch an der Klimapolitik der Großen Koalition, die er als planwirtschaftlich bezeichnet.

Solche kontroversen Beiträge tragen dazu bei, dass kaum ein klares Bild davon entsteht, wie eine Klimapolitik der FDP tatsächlich aussehen würde. Sich die Vorschläge der FDP einmal genauer anzusehen, ist auch deshalb interessant, weil Grüne und Liberale in Zukunft einer Regierungskoalition angehören könnten.

Zunächst die erfreuliche Nachricht: Die FDP ist keine Partei, die Leugner des anthropogenen Klimawandels vereint. Ein Beschluss des Bundesparteitags vom April 2019 bekennt sich ausdrücklich zum Ziel des Pariser Abkommens, „die Erd­erwärmung auf maximal 2, besser 1,5 Grad Celsius, zu begrenzen“.

Daneben kritisiert die FDP die Klimapolitik der Großen Koalition, in vielen Fällen zu Recht. So sind aus liberaler Sicht Eingriffe der Politik in klimafreundliche Innovationen, zum Beispiel die einseitige Förderung von E-Mobilität, eine Wettbewerbsverzerrung, die ineffizient und teuer ist und dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen kann.

Ohne Obergrenze ist Emissionshandel sinnlos

Stattdessen fordert die FDP Technologieoffenheit und Wettbewerb. Um diesen hin zu einer effizienten Dekarbonisierung zu leiten, setzt die Partei ganz auf Emissionshandelssysteme, die möglichst viele Länder und Sektoren umfassen sollen. Zum Beispiel klammert das europäische Emis­sions­handelssystem (EU-ETS) wichtige Sektoren bisher aus, insbesondere die hochemittierenden Verkehrs- und Gebäudesektoren sowie die Land- und Forstwirtschaft. Die FDP will das ändern. Darüber hinaus soll das EU-ETS mit anderen Emissionshandelssystemen verbunden werden, damit der Emissionshandel möglichst global stattfindet.

Dem naheliegenden Einwand, dass Reformen des EU-ETS und internationale Abkommen sich langwierig gestalten würden, begegnet die FDP mit dem Vorschlag, dass Deutschland dann vorangehen und den Emissionshandel national, aber innerhalb des EU-ETS, auf andere Sektoren ausweiten sollte. In einem von der FDP in Auftrag gegebenen Gutachten, das letzte Woche vorgestellt wurde, kommt der Tübinger Staatsrechtler Martin Nettesheim zu dem Schluss, dass es europarechtskonform wäre, wenn Deutschland den Verkehrssektor einseitig in das EU-ETS integriert.

Leider verbindet die FDP ihre Vorschläge zur Erweiterung des Emissionshandels mit allerlei Nebelkerzen

Marktwirtschaftliche Instrumente wie den Emissionshandel zu nutzen, um den Treibhausgasausstoß zu verringern, ist grundsätzlich sinnvoll. Leider verbindet die FDP ihre Vorschläge zur Erweiterung des Emissionshandels mit allerlei Nebelkerzen. Zum Beispiel ist die Partei gleichzeitig strikt gegen eine Steuer auf Treibhausgase. Den Emissionshandel und die Steuer gegeneinander auszuspielen, ist aber irreführend, weil beides Instrumente sind, den Ausstoß von Treibhaus­gasen zu bepreisen und unter idealen Bedingungen zu denselben Resultaten führen. Es spielt eine untergeordnete Rolle, ob die Politik eine Steuer oder ein Handelssystem einführt, solange das technisch sauber gemacht wird und der Preis für den Treibhausgasausstoß deutlich steigt.

Hauptproblem der Strategie

Damit sind wir beim Hauptproblem der FDP-Klimastrategie: Die Partei benennt Instrumente, aber nicht die Ziele, die diese Instrumente erreichen sollen. Bei Emissionshandelssystemen muss zunächst eine Obergrenze an Treibhausgasemissionen definiert werden. Unternehmen erhalten oder erwerben dann Emissionszertifikate, die zusammen diese Obergrenze nicht überschreiten und innerhalb deren Grenzen sie emittieren dürfen.

Der Emissionshandel läuft über diese Zertifikate, weshalb die Menge der Zertifikate bestimmt, wie teuer es ist, Treibhausgase auszustoßen. Wenn die Obergrenze zu hoch ist, sinkt der Preis für Zertifikate, und es werden keine Anreize geschaffen, weniger zu emittieren. Wer Emissionshandelssysteme als zentrales Instrument seiner Klimaschutzstrategie vorschlägt, muss also zwingend eine Zielgröße definieren, ansonsten ist der Vorschlag nicht aussagekräftig. Die FDP tut das jedoch nicht.

Solche Auslassungen ziehen sich durch die gesamte Klimastrategie der FDP. Nach konkreten Plänen, wie viel Treibhausgase im Jahr Deutschland oder Europa oder die Welt zukünftig weniger ausstoßen sollten als in der Vergangenheit, wenn es nach der Partei ginge, sucht man vergeblich. Einzig der Bezug auf das Pariser Abkommen kann als konkrete Vorgabe interpretiert werden. Die FDP sieht die „daraus resultierenden Ziele“ als verbindlich an.

Die Probleme sind bekannt und lösbar

Es ist unklar, welche Ziele damit gemeint sind; vermutlich der Plan der EU, die ausgestoßenen Treibhausgase in der EU bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Falls die FDP diesen Plan meint, ist das jedoch eine wenig ambitionierte Klimapolitik, die für die Ziele von Paris nicht ausreicht. Zum Beispiel hat die SPD im Europawahlkampf dafür geworben, dass die EU bis 2030 45 Prozent weniger Treibhausgasemissionen ausstößt als 1990. Die Grünen visieren 55 Prozent an, die Linke gar 65 Prozent. Einzig die Union wäre so ambitionslos wie die FDP.

Noch schlechter sieht es mit nationalen Klimazielen aus. Die Große Koalition hat sich darauf geeinigt, dass Deutschland bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase ausstößt als 1990. Die FDP lehnt solche nationalen Klimaziele grundsätzlich ab. Als Begründung verweist sie auf den Emissionshandel: Werden Zertifikate in Deutschland nicht genutzt, etwa durch die Abschaltung eines Kohlekraftwerkes, dann würde der Preis für Zertifikate fallen und diese würden dafür in anderen EU-Ländern genutzt.

Das ist aber kein Argument, um sich vor nationalen Klimazielen zu drücken, weil eine Verlagerung von Emissionen vermieden werden kann durch die Löschung von Zertifikaten, die hierzulande weniger genutzt werden. Solche Löschungen sind ein einfaches und bekanntes Mittel, die sogar die Kohlekommission, die von vielen Klimaaktivisten für ihren fehlenden Ehrgeiz kritisiert wurde, bei allen Abschaltungen vorsieht.

Damit ergibt sich folgendes Bild zur Klimapolitik der FDP: Die Partei gibt sich progressiv, indem sie auf Innovationen und marktwirtschaftliche Instrumente setzt. Leider stecken dahinter keine ähnlich progressiven Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Darüber hinaus wird auf Probleme hingewiesen, die das Fehlen solcher Ziele scheinbar rechtfertigen. Das ist nicht viel mehr als ein rhetorischer Kniff, da diese Probleme wohlbekannt und lösbar sind. Die Fridays-for-Future-Bewegung ist gut beraten, ihr berechtigtes Anliegen nicht vermeintlichen Profis von der FDP zu überlassen.

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Philippe van Basshuysen forscht an der Leibniz Universität Hannover und der London School of Economics zu der Frage, wie Institutionen, z.B. Märkte, organisiert werden sollten, um gerechte und gleichzeitig effiziente Ergebnisse zu erzielen. Zu den Anwendungsgebieten gehören Themen wie Klima, Migration und Gesundheit.

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