Klimaprotest vor der Grünenzentrale: Besetzen für den Danni

Die Grünen versagen beim Schutz des Dannenröder Forsts, sagen Klimaaktivistinnen und besetzen deren Zentrale. Robert Habeck sucht das Gespräch.

Robert Habeck steht vor der herbstlichen Grünenzentrale

Robert Habeck diskutiert mit Klima-Aktivist*innen vor der besetzten Grünenzentrale Foto: Lars Reimann/imago

BERLIN taz | Eingepackt in warme Jacken und Mund-Nasen-Schutz, stehen fünf Aktivist*innen gegen 10 Uhr in der Früh auf dem Balkon im ersten Stock der Bundesgeschäftsstelle der Grünen. „Autopartei? Nein Danke“ heißt es auf ihrem Banner – angelehnt an den Spruch der Antiatomkraftbewegung „Atomkraft? Nein danke“. Es sind Klimaschützer*innen von Fridays for Future Berlin, Ende Gelände, den Anti-Kohle-Kidz und Sand im Getriebe Berlin, die am Mittwoch die Grünenzentrale in Berlin-Mitte besetzt haben. Nach eigenen Angaben sind sie mithilfe einer Leiter auf den schicken Altbau mit gelbem Anstrich hinaufgeklettert.

Ihr Ziel: Sie wollen die Rodung im Dannenröder Forst stoppen. Teile des hessischen Forsts sollen für den Ausbau der A49 weichen. Bereits seit einem Jahr ist der „Danni“ deshalb besetzt und inzwischen zum Symbol der Verkehrswende geworden. Für die Rodungspläne stehen die hessischen Grünen schon länger in der Kritik, weil sie dort Teil der Landesregierung sind. Passiert ist dennoch nichts. Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir betonte mehrfach, dass die Entscheidung nicht dem Land obliege.

Nun machen die Klimaschützer*innen also gegenüber der Bundespartei Druck. Nicht nur auf dem Balkon, auch vor der Grünenzentrale stehen rund zwanzig von ihnen mit Bannern. Gemeinsam skandieren sie: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr Autobahnen baut.“ „Wir wollen nicht, dass die A 49 gebaut wird. Die Pläne sind 40 Jahre alt, aber die Zeiten haben sich geändert. Es ist 2020. Es ist nicht zukunftsfähig, eine Autobahn zu bauen“, erklärt eine Aktivistin, „wir wollen, dass der Dannenröder Wald bleibt und die Rodung gestoppt wird.“

Die Polizei ist mit einem Einsatzwagen vor Ort und betrachtet das Geschehen ruhig von der Seite, ohne einzugreifen. Denn zu diesem Zeitpunkt ist klar: Der Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, soll gleich vorbeischauen, um das Gespräch zu suchen. Alle warten gespannt auf den Stargast.

Warten auf Habeck

Gegen Viertel nach 10 kommt er zu Fuß auf die Aktivist*innen zu, in blauem Mantel, stellt sich auf die Wiese vor der Zentrale, die mit gelbem Herbstlaub bedeckt ist. Zur Begrüßung bekommt er eine Sonnenblume in die Hand gedrückt. Aber dann geht es gleich zur Sache: „Wie sorgen Sie dafür, dass die Rodung aufhört?“, fragt einer der Aktivisten. Robert Habeck fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Rolle. „Willkommen bei den Grünen“, sagt er, „aber ihr habt euch das falsche Haus ausgesucht. Wir sind nicht in der Regierung.“ Er zeigt kurz zur Seite, denn nur wenige Meter entfernt liegt das Bundesverkehrsministerium von CSU-Minister Andreas Scheuer.

Natürlich würde auch er gern die Rodung stoppen, wenn er könnte, beteuert Habeck: „Ihr adressiert die grüne Partei, die in dieser Situation nicht viel machen kann.“ Immer wieder referiert er über Kompetenzen, Verantwortlichkeiten. Er verstehe die Wut über den Bau der A49, es handele sich aber um ein Bundesprojekt, für das die Bundesregierung zuständig sei. „Die hessische Landesregierung ist zur Umsetzung verpflichtet“, erklärt er. Er sagt Sätze wie: „So ist die föderale Ordnung.“ Einen väterlichen Rat kann er sich auch nicht verkneifen: „Überlegt euch doch als Bewegung, wen ihr euch als Gegner aussucht.“

Mit solchen Antworten wollen sich die Aktivist*innen nicht zufrieden geben. Schließlich sehen sie die Rodung im Dannenröder Wald auch als Vorgeschmack auf die anstehende Bundestagswahl 2021, die eine schwarz-grüne Regierung auf Bundesebene ermöglichen könnte. „Heißt das, die Grünen sind immer nur für Klimaschutz, solange sie nicht in der Regierung sind?“, will einer wissen.

Robert Habeck verneint das, begrüßt das Engagement und fragt, ob denn irgendjemand ernsthaft glaube, dass es ohne die Grünen mehr Umweltschutz gäbe. Irgendwann erschöpft sich das Gespräch. Habeck verschwindet mit seiner Sonnenblume in die Parteizentrale. Die Polizei folgt, sie will die Personalien der Besetzer*innen feststellen, obwohl die Grünen versichern, keinen Strafantrag stellen zu wollen.

Auch Kim Solievna vom Bündnis Ende Gelände ist vor Ort – und hätte sich mehr von dem Gespräch erhofft. „Wer 2020 eine neue Autobahn bauen will, ignoriert die Grausamkeit der Klimakrise“, davon ist sie überzeugt. Zudem setze die Landesregierung von Hessen mit einem eskalativen Polizeieinsatz mitten in der Coronapandemie Menschenleben aufs Spiel. „Die Grünen tragen das mit, nur um der Union als Koalitionspartner zu gefallen.

Dieser Wahnsinn zeigt, dass wir uns beim Klimaschutz nicht auf Parteien verlassen können“, resümiert sie. Auch Marlene Jahn von der Grünen Jugend Berlin ist enttäuscht. Sie sitzt im Schneidersitz vor der Parteizentrale. „Wir solidarisieren uns mit den Aktivist*innen, wir stellen uns gegen Schwarz-Grün, und wir wollen die Partei an ihre eigenen Wurzeln erinnern.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.