Klimaschutz der EU: Über eigenen Erfolg gestolpert

In einem internen Papier warnt die EU-Kommission, Europa könnte seine Spitzenstellung bei grünen Technologien verlieren. Ein Gegenmittel sollen höhere Klimaschutzziele sein.

Klischee auf Klischee: Kind in schöner Natur, EU zu erfolgreich beim Klimaschutz. Bild: photocase / suze

BERLIN taz | Seit eineinhalb Jahren arbeitete die EU-Kommission hinter verschlossenen Türen daran, zu berechnen, was eine Erhöhung der Klimaschutzziele der Staatenunion kosten würde.

Der taz liegt jetzt ein erster interner Entwurf des Papiers vor, der erstaunliche Ergebnisse beinhaltet: Demnach ist die EU zwar dabei, ihre Ziele zu erreichen, bis 2020 ein Fünftel weniger Treibhausgase als 1990 auszustoßen. Allerdings sind diese Ziele mittlerweile ein Selbstläufer – die Wirtschaft erreicht sie ohne weitere Anstrengungen.

Bereits 2010 lagen die Emissionen 14 Prozent unter dem Level von 1990. Sollte der Klimaschutz nicht verschärft werden, gibt es keine ökonomischen Anreize mehr,grüne Technologien einzusetzen. "Der wichtigste Begleiteffekt des Klimapakets, die Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und die Förderung von Innovationen im Laufe des Jahrzehnts, ist gefährdet", schreibt die Kommission.

Der Grund liegt vor allem in der Wirtschaftskrise. Basis der Klimapolitik der EU sind Emissionszertifikate. Dabei handelt es sich um Verschmutzungsrechte, die dazu berechtigen, Treibhausgase auszustoßen. Sie werden an die Wirtschaft teilweise verkauft, teilweise kostenlos verteilt. Wer zu viel verschmutzt, muss Zertifikate zukaufen. Sie kommen von Unternehmen, die wegen technologischer Innovationen weniger ausstoßen, als ihnen zusteht würde. Wer also in Klimaschutz investiert, kann Geld verdienen.

Klimaschutz lohnt sich kaum noch

Wegen des Konjunktureinbruches hat die Industrie allerdings wesentlich weniger produziert als angenommen. Dadurch sind weniger Treibhausgase ausgestoßen worden. Viele Unternehmen horten seither die Verschmutzungsrechte, die ähnlich wie Aktien frei handelbar sind. Ihr Preis ist im Keller. Klimaschutz lohnt sich kaum noch. Da die Vermutzungsrechte nicht verfallen, sieht die EU ihre Preise für Jahre im Keller. Anders ausgedrückt: Klimaschutz ging unbeabsichtlicht so schnell, dass er sich nicht mehr lohnt.

"Das hat paradoxerweise das Risiko erhöht, dass Europa an Investitionen gebunden wird, die den Ausstoß an Klimagasen erhöhen", schreibt die Kommission. Die grüne Industrie droht weniger rentabel zu sein – und abgehängt zu werden: China sei mittlerweile Weltmarktführer in der Wind- und Solakraft geworden, schreibt die Kommission. Auch die USA habe massiv in Forschung und Entwicklung für grüne Technologien investiert, zahlreiche Start-Ups drängen auf den Markt, üppig ausgestattet mit Risikokapital.

Die Lösung könnte darin bestehen, die Klimaschutzziele zu erhöhen. Dadurch würden auch die Emissionszertifikate verknappt und teurer werden. 2008 bezifferte die EU-Kommission die Kosten, um bis zum Jahr 2020 20 Prozent weniger Treibhausgase als noch 1990 auszustoßen, auf 70 Milliarden Euro jährlich.

Mit der gleichen Summe sei heute eine Reduktion um 25 Prozent möglich. Dabei handelt es sich um reine Kosten. Abzuziehen ist der Nutzen: Allein 5 Prozent zusätzliche Reduktion würde 20 Milliarden Euro im Jahr an Importkosten für Treib- und Brennstoffe sparen.

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