Klimaschutz in Gefahr: Wie die Bundesregierung Schindluder mit dem Klimatopf treibt
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) soll Deutschland klimaneutral machen. Doch die Bundesregierung nutzt ihn als ungerechten Lückenfüller.
taz | Vereinter hat man Klimapolitiker*innen noch nicht gesehen: Als im Haushaltsplan der Bundesregierung Strafen für zu wenig Klimaschutz mit Geld bezahlt werden sollten, das für mehr Klimaschutz da ist, waren Fachpolitiker*innen aus CDU, SPD, Grünen und Linkspartei erbost. „Klima-Kannibalismus“ nannte es die Grüne Lisa Badum, „inakzeptabel“ der CDUler Mark Helfrich. Und tatsächlich: die Bundesregierung verschob den Posten wieder aus dem Klimatopf in den Kernhaushalt.
Die Kontroverse um die Strafzahlungen hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Aber der Klima- und Transformationsfonds (KTF), um den es ging, dient Bundesregierungen schon längst als Lückenfüller statt als Klimaschutz-Beschleuniger. Und dieser Bundesregierung ganz besonders.
Der Strompreis wird mit KTF-Geldern gesenkt, Betreiber von Kohlekraftwerken bekommen laut Kohleausstiegs-Gesetz ihre Belohnungen für abgeschaltete Kraftwerke aus dem Klimatopf. Im Juli kündigte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) an, dass sie den Gaspreis für Haushalte und Unternehmen mit Milliarden aus dem KTF senken will.
„Die Bundesregierung schaut nicht strategisch, was sie mit dem KTF bezwecken will, und überprüft dann, ob er das leisten kann“, beklagt Niklas Illenseer, der als Haushaltsexperte für die Denkfabrik Dezernat Zukunft arbeitet. „Stattdessen wird der KTF zum Sammelbecken für alles, was mit Klima oder Transformation zu tun hat.“ Der Topf drohe zum Symbol für die klimapolitische Orientierungslosigkeit der Bundesregierung zu werden.
Großes Potenzial
Dabei habe der KTF großes Potenzial, sagt Illenseer. Denn der Topf ist nicht Teil des Kernhaushalts und unterliegt deswegen anderen Regeln: „Investitionen lassen sich darin einfacher bündeln, an einen Zweck binden und planbar machen.“ Ein Beispiel: die Klimaschutzverträge, die noch der Grüne Robert Habeck als Wirtschaftsminister auf den Weg gebracht hatte.
Wenn Unternehmen einen solchen Klimaschutzvertrag mit der Bundesregierung abschließen und ihren CO2-Ausstoß reduzieren, aber dadurch höhere Kosten haben, bekommen sie Geld aus dem KTF. Wenn sich die Investition langfristig auch ökonomisch lohnt, dann nicht.
Jährliche Schwankungen kompensieren
Das Gute am KTF: Wenn das Interesse ein Jahr lang mal geringer ist und die vorgesehenen Milliarden nicht abfließen, bleiben sie einfach im Topf. Im Kernhaushalt würden sie verfallen. „Die Überschüsse sind somit theoretisch auch für Klimaausgaben in den Folgejahren gesichert“, sagt Illenseer. Das könne jährliche Schwankungen in den Ausgaben in der Theorie kompensieren.
Nur erweitert die Bundesregierung ständig, für welche Zwecke der KTF genutzt werden kann – die Gaspreisumlage ist das aktuellste Beispiel. Dann helfen gesparte Milliarden nicht dem Klima. „Ob der KTF damit zu mehr Planungssicherheit führt, hängt also auch von den politischen Entscheidungen ab“, sagt Illenseer.
Verfehlt klimapolitisches Potenzial
Geld landet im KTF nicht wie im Kernhaushalt durch Steuereinnahmen, sondern vor allem durch die Bepreisung von CO₂. Die Idee: Unternehmen, die CO₂ ausstoßen, müssen dem Staat Geld zahlen. Und dieses Geld gibt der Staat dann aus, damit Privatleute und Unternehmen in Zukunft weniger CO₂ ausstoßen, also weniger für ihren CO₂-Ausstoß bezahlen müssen. Nur zahlen private Haushalte durch die CO₂-Bepreisung deutlich mehr in den KTF ein, als sie herausbekommen.
Die Denkfabrik Zukunft KlimaSozial hat den Haushaltsentwurf für 2026 analysiert. Das Bundesfinanzministerium unter Lars Klingbeil (SPD) erwartet demnach, dass Privatleute durch den CO₂-Preis aufs Heizen und Verbrenner-Fahren insgesamt 16,7 Milliarden Euro in den KTF einzahlen werden. Förderung für Haushalte – Gelder für Sanierungsmaßnahmen, Wärmepumpen oder Entlastungen beim Strompreis – belaufen sich aber nur auf 11 Milliarden Euro. Dagegen gehen 18,1 Milliarden Euro an Unternehmen. „Der KTF verfehlt bislang sein klimasoziales Potenzial“, schlussfolgert die Direktorin von Zukunft KlimaSozial, Brigitte Knopf.
Zehn Milliarden sollten herauskommen
Neben den Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung speist sich der KTF in den kommenden Jahren auch aus den 100 Milliarden Euro für Klimaschutz, die die Grünen im März in das 500 Milliarden schwere Schuldenpaket für Infrastruktur hineinverhandelt haben.
Zehn Milliarden Euro pro Jahr für Klimaschutz sollten dabei herauskommen. Ein Drittel davon wird im kommenden Jahr wahrscheinlich für die Gasspeicherumlage draufgehen. Dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft zufolge werden mit den zehn Milliarden „größtenteils keine zusätzlichen Investitionen in die Klimaneutralität finanziert“.
Bundesregierung wurschtelt sich durch
Bereut die Grüne Badum im Nachhinein, dass die Grünen dem Schuldenpaket zugestimmt haben? „Ich finde es nach wie vor richtig“, sagt sie, „es braucht massive Investitionen und es wäre nicht gemeinwohlorientiert gewesen, dagegen zu stimmen.“
Trotzdem ist sie frustriert: „Unter der Ampel mussten wir aufgrund des Haushaltsurteils des Verfassungsgerichts einen extremen Sparhaushalt aufstellen“, erinnert sich die Abgeordnete, „jetzt ist Geld da und die Bundesregierung gibt es nicht für Klimaschutz aus.“ Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Klingbeil wollten sich „einen leichten Sommer und Herbst machen und dringende Aufgaben nicht angehen“, kritisiert sie. Statt neue Investitionen und Klimaschutz zu priorisieren, „wurschteln sie sich durch und verpassen dabei die Zukunft.“
Ungewisse Zukunft
Wie es mit dem Klima- und Transformationsfonds weitergeht, ist ungewiss. Für 2029 plant das Bundeswirtschaftsministerium mit 4,4 Milliarden Euro statt 1,9 Milliarden Euro Förderung für Klimaschutzprogramme der Industrie. „Die Befürchtung ist, dass damit vor allem auch CCS bezahlt werden könnte“, sagt Illenseer. CCS, die Verpressung von CO₂ im Boden, gilt zum Beispiel Greenpeace als „teure Scheinlösung“.
Die steigende Industrieförderung verstärkt zudem einen gefährlichen Trend: „Auf der Ausgabenseite rutschen einige Programme in den KTF, die auf jeden Fall Geld binden werden“, sagt Illenseer, zum Beispiel Zuschüsse für den Stromnetzausbau.
Aber weil die CO₂-Bepreisung für Heizen und Verkehr 2027 dem Markt übergeben wird und infolgedessen niedriger ausfallen könnte, steht der Topf auf wackligen Füßen. „Wenn diese Einnahmen wegbrechen, wird das Haushaltsloch noch größer“, sagt Experte Illenseer. Dann wäre der KTF nicht mal mehr Lückenfüller. Sondern selbst Lücke.
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