Klimaschutz: "200 Milliarden Dollar erforderlich"

Um die Erderwärmung zu stabilisieren, ist weniger als ein Prozent der globalen Investitionen nötig, sagt die deutsche Chefdiplomatin für Klimaschutzverhandlungen.

Vom Upsala-Gletscher abgebrochener Eisblock im Süden Argentiniens Bild: dpa

taz: Frau Wilke, zu den strittigsten Fragen beim Klimaschutz gehört die Finanzierung. Ist man da in Wien vorangekommen?

Nicole Wilke: Die Vertragsstaaten hatten das Klimasekretariat gebeten, zusammenzutragen, welche Investitionen für eine klimafreundliche Zukunft erforderlich sind. Das Ergebnis wurde hier präsentiert. Die zentrale Botschaft ist: Klimaschutz ist finanzierbar. Auch wenn die erforderlichen Investitionen bis 2030 mit 200-210 Milliarden US-Dollar absolut hoch erscheinen, sind dies weniger als ein Prozent der globalen Investitionen und 0,26 Prozent des globalen Sozialprodukts in 2030. Private Investitionen haben den größten Anteil. Sie werden durch den weltweiten Kohlenstoffmarkt - den Handel mit CO2 Zertifikaten - in klimafreundliche Bereiche gelenkt. Unterstützend wirken auch Regulierungen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland.

Wollen auch die Entwicklungsländer mehr zur Reduktion beitragen?

Die Entwicklungsländer haben betont, dass sie bereits jetzt eine Menge tun. Allerdings lehnen die meisten verbindliche Minderungsmaßnahmen ab. Einzelne Länder, wie Mexiko, Brasilien oder Südafrika haben signalisiert, dass sie - wenn es stärkere Anreize für sie gibt - deutlich - mehr tun wollen. Anreiz könnte etwa ein besserer Zugang zum weltweiten Kohlenstoffmarkt sein. Hierüber wollen wir in Bali verhandeln.

Im Dezember findet in Bali eine weltweite Klimakonferenz statt, auf der umfassende Verhandlungen über ein Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 beschossen werden sollen. Dann läuft das Kioto-Abkommen aus. Auf einem Vorbereitungstreffen loteten mehr als 1.000 Experten der Klimadiplomatie in Wien in den letzten Tagen unter anderem die Möglichkeiten der Entwicklungsländer aus, mehr für den Klimaschutz zu tun. Jenseits der Konferenz stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag während ihres Besuchs in Japan ein mögliches Modell für die geplanten Verhandlungen vor. Danach soll es eine Pro-Kopf-Grenze für den Ausstoß von CO2 geben, als Standard sollen die klassischen Industrieländer gelten. Damit hätten schnell wachsende Schwellenländer wie China und Indien zunächst noch Spielraum. Wenn die Industrieländer ihren Energieverbrauch auf Dauer aber verringerten, wäre das ein Signal an alle anderen, dass sie ihren Schadstoffausstoß ebenfalls senken müssten.

Heißt das: Diese Länder sind bereit, sich eigene Reduktionsziele zu geben?

Eindeutig nein. Und das wäre auch vermessen. Wir haben als EU immer deutlich gemacht, dass absolute Emissionminderungs- verpflichtungen derzeit nur für die Industrieländer gelten sollen. Für die Entwicklungsländer muss es darum gehen, dass ihre Kohlendioxid-Emissionen schwächer wachsen als ihr Bruttosozialprodukt - dass also die Wirtschaftsentwicklung vom Energiehunger abgekoppelt wird. Angesichts der Entwicklungsunterschiede und der Pro-Kopf-Emissionen in den Entwicklungsländern wäre es nicht fair, Reduktionsverpflichtungen einzufordern: Die Pro-Kopf-Emissionen liegen in Ländern wie China, Mexiko oder Brasilien immer noch um ein Mehrfaches unter denen der Industrieländer. Länder wie China oder Indien machen heute schon eine ganze Menge für den Klimaschutz: Ihre Wirtschaft wächst deutlich schneller als die Emissionen. Das sollte man nie unterschätzen.

Die USA oder Australien wollen nur dann in die Post-Kioto-Phase einsteigen, wenn die Schwellenländer auch einen Beitrag leisten. Hat die Weltklimakonferenz da überhaupt eine Chance?

In Wien ging es darum zu klären, ob wir auf der Weltklimakonferenz im Dezember in einen umfassenden Verhandlungsprozeß eintreten können. Und es gibt -vorsichtig formuliert - positive Signale.

Wunderbares Diplomaten-Sprech. Was heißt das?

Sie haben Bereitschaft signalisiert, Verhandlungen zu beginnen. Darüber wie diese aussehen sollen, gibt es noch sehr unterschiedliche Vorstellungen. Es gibt also noch zu tun in Bali.

INTERVIEW: NICK REIMER

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