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Klinikchef gegen PressefreiheitWer kritisch berichtet, wird nicht verkauft

Der Chef der kommunalen Kliniken in Ostfriesland mochte Berichte der Lokalzeitungen nicht. Dann wollte er ein Verkaufsverbot in den Häusern erlassen.

Vorübergehend ohne missliebige Zeitungen: Klinikum Aurich Foto: Rüdiger Wölk/Imago

Hamburg taz | Wohl nicht allzu viele Weltmeister haben sich nach ihrer sportlichen Karriere in einem anderen Berufszweig eine Führungsposition erarbeitet. Dirk Balster war dreifacher Weltmeister im Rudern, holte zwischen 1989 und 1991 im Deutschland-Achter den Titel – und stieg später zum Geschäftsführer der Trägergesellschaft der drei ostfriesischen Kommunalkliniken mit rund 2.500 Mit­ar­bei­te­r:in­nen auf.

Damit allerdings könnte bald Schluss sein, denn der 59-Jährige steht aktuell mit der Presse- und Meinungsfreiheit auf Kriegsfuß: Weil ihm die kritische Berichterstattung der lokalen Tageszeitungen über die medizinische Versorgung in Emden, Aurich und Norden nicht passte, wollte er den Verkauf der Zeitungen in den Cafés und Kiosken der Krankenhäuser verbieten. Gestoppt wurde Balsters Verbot nun vom Aufsichtsrat – der nach dem wachsenden Willen in der Lokalpolitik den Geschäftsführer absetzen soll.

Ausweislich eigener Aussagen sind beide Seiten schon seit längerer Zeit sauer aufeinander: Obwohl die Betreibergesellschaft als öffentliche Behörde auskunftspflichtig ist, seien Presseanfragen in den vergangenen Monaten nur unzureichend beantwortet worden, beklagten die Redaktionsleitungen der Emder Zeitung, der Ostfriesischen Nachrichten, des Ostfriesischen Kuriers und der Ostfriesen-Zeitung.

Die würden doch nur unqualifizierte, für Verunsicherung in der Bevölkerung sorgende Berichte über die Kliniken publizieren, entgegnete Balster, der nach seiner Sportkarriere zunächst als Unternehmensberater tätig und für Projekte im Gesundheitsmarkt zuständig war. 2013 dann übernahm er die Geschäftsführung des Klinikums Chemnitz, ehe er Anfang 2023 an die Nordsee wechselte.

Berichte über Fehldiagnosen

Zu eskalieren begann der Konflikt, als die Ostfriesen-Zeitung kürzlich von mutmaßlichen Fehldiagnosen mit Todesfolge im Emder Klinikum berichtete.

Die Geschäftsführung der Klinikgruppe wies die Vorwürfe zurück, garnierte aber die Antwort auf nachfolgende Presseanfragen mit harscher Medienkritik: Eine „sachliche Aufklärung und dadurch Beruhigung der Bevölkerung oder einzelner Akteure“ scheine nicht im Interesse der „verzweifelt um Auflage und Existenz kämpfenden Redaktionen zu liegen“, antwortete Balster auf eine Presseanfrage der Ostfriesen-Zeitung.

Die Zeitungen sollten doch bitte ihre „überwiegend tendenziöse und fahrlässige Berichterstattung über die Krankenhäuser der Trägergesellschaft“ überdenken und modifizieren. Das antwortete Balster nicht der Zeitung direkt, sondern er machte Fragen wie Antworten auf ihrer Homepage aktiv öffentlich, was schon an sich ein ungewöhnlicher Vorgang ist.

Die Ostfriesen-Zeitung wiederum legte Anfang August nach und schrieb, es hätten sich weitere Betroffene gemeldet. Überdies veröffentlichten die vier lokalen Zeitungen einen gemeinsamen offenen Brief, in dem sie Balsters Vorwürfe zurückwiesen. Seine pauschale Diskreditierung ihrer Arbeit sei „inakzeptabel und für einen konstruktiven Dialog ungeeignet“. Er schlage „immer wieder einen Ton an, den man sonst aus demokratie- und presseverachtenden Kreisen kannte“, kritisierten sie.

Aufsichtsrat spricht Machtwort

Das brachte bei Balster offenbar das Fass zum Überlaufen: Vergangene Woche setzte er ein Verkaufsverbot der lokalen Zeitungen in den Kiosken und Cafés in den Kliniken durch – „zum Schutz der Patienten“. Der Aufsichtsrat, der vor allem mit Stadt- und Land­kreis­po­li­ti­ke­r:in­nen besetzt ist, sprach allerdings zügig ein Machtwort und machte das Verbot rückgängig.

Wie es nun weitergeht, ist noch unklar. Für Nachfragen und Stellungnahmen stehe Balster nicht zur Verfügung, erklärte die Trägergesellschaft der Kliniken am Dienstag auf Anfrage. Balster sei im lange geplanten Sommerurlaub. Und erst am 9. September will der Klinik-Aufsichtsrat in der Sache zusammenkommen. Der solle Balster von seinen Aufgaben entbinden, fordern bereits erste Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen.

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