Knesset-Abgeordneter über Konvoi-Angriff: "Es musste jemand sterben"

Die Soldaten sollten töten, um abzuschrecken. Das glaubt Jamal Zahalka, der Vorsitzende der palästinensischen Knesset-Fraktion Balad. Israel bleibe jetzt nur noch die Aufhebung der Blockade.

Aufnahme vom nächtlichen Angriff auf die Schiffsflotte im Mittelmeer. Bild: ap

taz: Herr Zahalka, Ihre Parteigenossin Chanin Soabi ist auf einem der Schiffe, die heute Nacht von der israelischen Marine abgefangen wurden. Stehen Sie in Kontakt zu ihr?

Jamal Zahalka: Wir haben seit gestern Abend nichts von ihr gehört. Soweit wir wissen, ist sie aber nicht unter den Verletzten.

Wie kommt es, dass Frau Soabi gefahren ist und nicht Sie selbst?

Normalerweise schickt jede Fraktion einen Teilnehmer. Ich war schon vor drei Wochen nach Zypern gereist in der Absicht, auf einem der Schiffe mitzufahren, was sich aber aus technischen Gründen zerschlagen hat.

Was hoffen Sie zu erreichen?

Wir wollen die Blockade brechen, die Israel über den Gazastreifen verhängt hat und die unmenschlich ist. 1,5 Millionen Menschen in ein großes Gefängnis zu sperren ist kollektive Bestrafung und verstößt gegen internationales Recht.

Jamal Zahalka, 55, stammt aus dem arabischisraelischen Dorf Kfar Kana, ist Chef der palästinensischen Knesset-Fraktion Balad (arabisches Initialwort für "National-Demokratische Versammlung). Zahalka gehört zu den schärfsten Kritikern der Trennanlagen und ist gegen die, wie er sagt, "Zerschneidung" der Palästinensergebiete in "Kantone".

Was wissen Sie über die Organisatoren der Schiffe?

Ich kenne die Organisationen nicht. Tatsache ist, dass es sich um Aktivisten aus aller Welt und aller Religionen handelt. Es sind Muslime, Christen und Juden mitgefahren. Israel versucht sie zu delegitimieren, indem schon bevor die Schiffe überhaupt losgefahren sind, davon die Rede war, dass Terroristen an Bord sind. Die Operation der israelischen Armee ist ein Akt der Piraterie und ein Kriegsverbrechen. Israel hatte von vornherein geplant, hart zuzuschlagen. Die Soldaten sollten Leute töten, um andere abzuschrecken.

Dann glauben Sie nicht an die Version der Israelis, dass die Soldaten erst dann zu schießen begannen, als sie selbst in Lebensgefahr gerieten?

Wer ein Schiff kapert, handelt nicht aus Notwehr. Schon vor einer Woche hat ein Sprecher der Armee gesagt, die Schiffe sollten um jeden Preis abgefangen werden, bevor sie Gaza erreichen. Wir sehen jetzt, welchen Preis die Aktion forderte. Vielleicht hat die israelische Führung nicht über neunzehn Leute entschieden, die umgebracht werden sollten, vielleicht auch nicht über zehn. Sicher aber ist, dass jemand sterben musste, um den Abschreckungseffekt zu erreichen.

Wie wird es jetzt weitergehen?

Balad hat über Streiks und Demonstrationen entschieden.

Rechnen Sie mit Eskalationen?

Wenn es zu Gewalt kommen sollte, dann werden wir Araber die Opfer sein. Es war bislang immer so, dass die Eskalation von der israelischen Polizei ausging.

Was tun Sie, um den Zorn in der arabisch-israelischen Öffentlichkeit abzumildern?

Unsere Partei ist eine politische Bewegung, unsere Öffentlichkeit ist eine gewaltlose. Wir rufen zu friedlichen Demonstrationen auf und zum Streik.

Was sollte Israel nun tun?

Die Blockade aufheben. Und wenn sich die israelische Regierung weigert, dann muss der Druck intensiviert werden. Es kann nicht sein, dass man einen Staat, der 1,5 Millionen Menschen einsperrt, als normalen Staat betrachtet und mit ihm umgeht, als sei nichts passiert.

Israel verlangt die Freigabe von Gilad Schalit. Dann würde auch die Blockade enden. Warum lässt die Hamas Schalit nicht frei?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Blockade hat angefangen, lange bevor Schalit gefangen genommen wurde. Heute benutzt ihn Israel lediglich als Vorwand für das Embargo.

Warum wird immer nur Israel für die Blockade verantwortlich gemacht, wo doch auch Ägypten die Grenzen geschlossen hält?

Natürlich sollten auch die Ägypter die Grenzen öffnen. Das tun sie von Zeit zu Zeit, insgesamt aber viel zu wenig. Die ägyptische Regierung kapituliert unter dem Druck der USA und Europas.

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