Koalitions-Kritik an Merz: SPD-Generalsekretär nennt Merz' Äußerungen „schwer erträglich“
Kanzler Merz hält an seinem Satz zu Problemen im „Stadtbild“ fest – in der Koalition wächst die Kritik. Auch manchen CDUlern ist Merz zu pauschal.

afp/dpa | SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hat die erneuten Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der „Stadtbild“-Debatte als „schwer erträglich“ kritisiert. Merz vermenge Dinge, die nicht vermengt gehörten, sagte Klüssendorf am Montagabend in der ntv-Sendung „Pinar Atalay“. „Er bringt nämlich das in einen Kontext, der damit aus meiner Sicht nichts zu tun hat, nämlich eher pauschalisiert.“
Merz hatte am Montag seine umstrittene Äußerung zu Problemen im Stadtbild durch Migration verteidigt. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte er. „Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal: Wir müssen daran etwas ändern und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern und wir werden diese Politik fortsetzen.“
Es dürfe nicht verboten sein, Probleme zu adressieren, betonte Klüssendorf. Aber diese mit Rückführungen lösen zu wollen, halte er für falsch. Er frage sich, was das mit Menschen mache, die zugewandert sind oder anders aussehen als zum Beispiel Friedrich Merz. „Das ist kein schönes Gefühl und ich finde, dass wir das unterlassen sollten“.
CDU-Sozialflügel sieht Merz-Worte zum „Stadtbild“ kritisch
Der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Natürlich haben wir an vielen Stellen ein verstörendes Stadtbild, aber zu suggerieren, dies würde sich durch Abschiebungen ändern, ist zu kurz gesprungen, erweckt unerfüllbare Erwartungen und wird der Komplexität des Problems nicht gerecht.“
Der Landeschef der baden-württembergischen CDU, Manuel Hagel, sagte im ZDF-„heute journal“, es habe sich in Deutschland etwas verändert – und das habe etwas mit Migration zu tun, aber nicht nur. „Am Ende geht es nicht um Menschen oder Gruppen. Es geht vor allen Dingen darum, dass wir die Probleme – innere Sicherheit, Ordnung in unseren Innenstädten – lösen.“ Viele Menschen mit Migrationshintergrund seien Teil der bürgerlichen Mitte, Teil des Wohlstands, Teil der Wertegemeinschaft. „Und deshalb rate ich da sehr, verbal etwas abzurüsten und sehr differenziert in dieser Debatte auch vorzugehen.“
„Probleme lassen sich nicht abschieben“
Rückendeckung für seine Aussagen erhielt Merz vom Vorsitzenden der Jungen Union (JU), Johannes Winkel: Es handle sich um eine richtige Beobachtung der Realität in Deutschland, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk. „Das, was Friedrich Merz beschrieben hat, stimmt natürlich: Wir erleben seit Jahren eine Zunahme an Gewaltkriminalität, auch an Drogenkriminalität, wir erleben auch übrigens eine Zunahme an Islamismus in Deutschland, und wenn man das anspricht, dann ist man kein Rassist, sondern Realist.“
Radtke, der Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) ist, sagte den Funke-Zeitungen: „Probleme wie Drogensucht, Obdachlosigkeit oder Mackertum bei Jugendlichen lassen sich nicht abschieben, sondern müssen angepackt werden.“
Natürlich müssten illegal eingereiste Migranten abgeschoben werden – aber viele Probleme würden fortbestehen. Er mahnte: „Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut, sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Debattenkultur und einer positiven Zukunftserzählung zu.“
Debatte vor dem Hintergrund starker AfD-Umfragewerte
Die beste Strategie gegen die AfD sei Politik, die Probleme löse, Versprechen einhalte und in der Kommunikation ebenso klar wie empathisch sei, meinte Radtke. Merz hatte erneut einen klaren Abgrenzungskurs der CDU gegenüber der AfD angekündigt. 2026 werden in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern neue Landtage gewählt. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kommt die AfD in jüngsten Umfragen an die 40 Prozent heran und ist mit weitem Abstand stärkste Partei.
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