Koalitionsverhandlungen in Hamburg: Grüne knicken wieder ein

Auch bei der Umwelt können die Grünen nicht punkten und unterstützen die Berufung gegen ein Urteil für bessere Luft. Und übertreten eine grüne Schmerzgrenze.

Umwelt nicht so wichtig: Fegebank und Scholz im Auto. Bild: dpa

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat sein Transparent für saubere Luft umsonst auf dem Rathausmarkt ausgerollt. Ihr Appell an die Grünen, bei der Luftreinhaltung gegenüber der SPD hart zu bleiben, verhallte ungehört. Eigentlich müsste die Stadt sofort Maßnahmen für die Senkung der Stickoxide (NOx) ergreifen, dazu hat sie ein Gericht verurteilt. Die SPD will den Richterspruch aber nicht akzeptieren und in Berufung gehen. Die Grünen tragen das mit.

„Wir haben darüber gesprochen. Und das ist der Weg, der gegangen wird“, sagte Katharina Fegebank (Grüne), als sie nach dem Verhandlungstag auf dem roten Rathaus-Teppich stand. Neben ihr ergänzte Noch-Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD), dass andere Städte viel größere Sorgen hätten. „Wir haben nur eine Grenzüberschreitung der NOx-Werte an vier von insgesamt 16 Messstellen.“ Stuttgart und Berlin hätten noch den Feinstaub dazu, der in Hamburg verweht.

Die Grünen überschreiten eine Schmerzgrenze. Stickoxide in der Luft waren ihr Thema als Opposition. Weil immer mehr Autos mit günstigem Diesel fahren, ist die Belastung auf den Straßen hoch und liegt an den Messstationen Habichtstraße, Kieler Straße, Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee deutlich über den von der EU für noch gesund befundenen Werten.

Das sind die wichtigen Messstationen in den Straßenschluchten, „dort wo die Menschen wohnen“, sagt BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Die von Blankau erwähnten übrigen zwölf seien „Hintergrund-Messstationen in Parks. Dort wo die Luft besser ist.“ Es gibt nach Berechnung des BUND über 200.000 Menschen, die mit schlechter Luft leben. Die Substanz soll etwa Auslöser für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein.

Zwar hat die Stadt 2012 einen Luftreinhalteplan verfasst, doch diese Maßnahmen wirken größtenteils erst 2020 oder später. Auf die Klage eines Anwohners der Max-Bauer-Allee und des BUND verdonnerte das Gericht die Stadt dazu, Schritte zur „schnellstmöglichen Einhaltung“ des EU-Grenzwerts zu ergreifen. Das Urteil sei die „Quittung für jahrelanges Nichtstun“, hatte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan erklärt und an die SPD appelliert, die Gesundheit der Hamburger „ernst zu nehmen“.

Doch durch ein Berufungsverfahren gewinnt der Senat Jahre Zeit, die Sache aufzuschieben. Braasch hält es nötig, Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen einzuführen. „Berlin hat damit gute Erfolge erzielt.“ Auch eine City-Maut oder eine Umweltzone wären effektiv. Doch auch die gibt es mit Rot-Grün nicht.

Fegebank hatte bei dem Pressetermin am Freitag einen peinlichen Moment. Weil sie nicht mehr wusste, was verabredet war, bat sie um eine Pause und verschwand mit SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Als sie zurückkam, wusste sie, dass man keine Verständigung in den Bereichen Umweltzone und City-Maut erreicht habe. „Was nicht heißt, dass wir das gut finden.“

An der grünen Basis ist mancher mittlerweile genervt. „Die lassen sich totquatschen“, sagte ein Mitglied. Schon bei der Stadtbahn gab die grüne Delegation nach. Nun soll der Klimaschutz zwar ein „Schwerpunkt“ werden und ein bisschen Geld wird es auch geben, wie Blankau andeutete – die Rede ist von begrünten Dächern, mehr Naturschutzgebieten und mehr Häusersanierung –, das meiste davon hatte die SPD aber eh schon geplant.

Auch bei den Themen Schule und Hochschule wird die grüne Basis wieder enttäuscht. Die Ankündigung von mehr Produktionsküchen und ohnehin geplanten temporären Studienplätzen aus Bundesmitteln macht noch keine grüne Handschrift aus.

Ein Problem ist, das die Grünen sich der absoluten Haushaltsdisziplin unterwerfen: Für jede Mehrausgabe braucht es einen Gegenfinanzierungsvorschlag. Aber die SPD war vier Jahre an der Macht, hat damit das Wissen über den Haushalt. Dabei weisen hohe Reste in den Einzeletats darauf, dass es mehr Spielräume gibt als Olaf Scholz sagt.

Die Frage drängt sich auf, ob der SPD-Chef der Typ für Rot-Grün ist. Wie er mit dem Partner umspringt, erinnert an die erste rot-grüne Koalition von 1997 und hat mit dem Agieren eines Ole von Beust, der 2008 für Schwarz-Grün warb, wenig gemein. Anderseits wissen die Grünen noch, dass es für eine Regierungsfraktion nicht nur Senatsposten, sondern auch im Umfeld komfortable Positionen gibt.

Montag gehen die Verhandlungen mit Stadtentwicklung weiter, in der Woche darauf folgt das Soziale. Zwischendrin gibt es Mittwoch eine Grünen-Mitgliederversammlung, bei der das Spitzenpersonal der Basis erklären wird, was erreicht wurde.

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