Körting im Interview: "Von Assimilation redet niemand"

Die türkischen Bürger in Berlin werden ihre türkischen Wurzeln behalten, sagt Ehrhart Körting. Der Innensenator wehrt sich zudem gegen die pauschale These, dass die Integrationspolitik gescheitert sei.

Ist für eine doppelte Staatsbürgerschaft: Senator Körting Bild: dpa

taz: Herr Körting, in der aktuellen Debatte um Integration setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass diese gescheitert sei - offenbar auch in der SPD. Nach Heinz Buschkowsky und Thilo Sarrazin haben auch Sie sich dazu geäußert - und in einem Gespräch mit der Morgenpost erklärt, dass es Probleme mit der Integration gebe, weil die türkische Regierung sich einmische. In welcher Weise tut sie das denn?

Ehrhart Körting: Ich betrachte es als Problem, wenn die türkische Regierung sich in interne politische Fragen der Bundesrepublik mengt und sich sozusagen als Wahrer der Rechte in Deutschland lebender ehemaliger türkischer Staatsbürger begreift.

Inwiefern tut sie das und wie erschwert das Integration?

Wir haben hier in Berlin etwa 80.000 eingebürgerte ehemalige türkische Staatsbürger und weitere rund 140.000, die einen türkischen Pass haben. Ich glaube, dass die Türkei erkennen muss, dass dies zwar Menschen mit türkischen Wurzeln, aber Auswanderer aus der Türkei sind. Ich habe volles Verständnis, wenn die türkische Regierung die kulturelle Identität dieser Menschen fördern möchte. Aber ich habe wenig Verständnis, wenn sie sich spezifisch einmengt in bundesrepublikanische Angelegenheiten wie Schulfragen oder Ähnliches.

Welche Auswirkungen hat das für hier lebende TürkInnen?

Das hat keine konkreten Auswirkungen. Es ist ja nicht so, dass die türkische Regierung sagt, die Leute sollten sich nicht integrieren. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagt im Gegenteil, die Leute sollen Deutsch lernen, und wenn er sagt, dass sie ihre Heimatsprache nicht aufgeben sollen, hat er ja auch nicht unrecht. Dennoch kommt der Eindruck auf - etwa durch das kürzlich gegründete Ministerium für Auslandstürken-, dass der türkische Staat seine ehemaligen Bürger nach wie vor mit Beschlag belegt und meint, deren Angelegenheiten regeln zu müssen - als sei der türkische Staat für die in Deutschland lebenden Türken verantwortlich. Für die hier lebenden Türken sind aber wir in Deutschland verantwortlich.

Die Zahl von eingebürgerten Türkeistämmigen in Berlin ist gering. Ist das nicht eher ein Hinweis darauf, dass die Bundesrepublik diese Verantwortung nicht ausreichend wahrnimmt, als ein Hinweis auf eine zu große Einmischung der türkischen Regierung?

Um es ganz deutlich zu sagen: Die Einbürgerungszahlen haben mit der türkischen Regierung nichts zu tun. Wir haben bis zum Jahr 2000 hohe Einbürgerungszahlen gehabt, weil man bis damals deutscher und türkischer Staatsbürger gleichzeitig sein konnte. Dann gab es eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts, die diese Möglichkeit abschaffte. Seither gehen die Einbürgerungszahlen zurück. Das hat nichts mit dem türkischen Staat zu tun, sondern mit unserem Staatsbürgerschaftsrecht.

Sind Sie für den Doppelpass?

Wir Sozialdemokraten haben uns immer für eine doppelte Staatsangehörigkeit ausgesprochen, weil der Erwerb der Staatsbürgerschaft zwar ein Abschluss von Integration, aber als Ziel natürlich auch integrationsfördernd ist.

Es war die SPD, die jene Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts beschlossen hat.

Es gab damals eine Kampagne gegen die Doppelstaatsbürgerschaft, die dazu geführt hat, dass die seinerzeit verantwortliche Bundesregierung aus SPD und Grünen zu dem Schluss kam, dass sie das der Bevölkerung im Moment nicht vermitteln kann. Und für ein solches politisches Ziel braucht man die Akzeptanz der Bevölkerung. Ich werbe aber seit Jahren konsequent dafür.

Meinen Sie, dass die SPD mit Positionen wie denen von Sarrazin oder Buschkowsky oder eben nun auch Ihren Äußerungen für solche Akzeptanz wirbt?

Zu Sarrazin ist genug gesagt worden und zu Buschkowsky auch. Ich beschränke mich auf das, was ich gesagt habe: Wenn Sie meine Äußerungen als antitürkisch verstehen, haben Sie sie missverstanden. Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Vormundschaftsrolle des türkischen Staates für hier lebende Türkeistämmige kontraproduktiv ist.

Sie geben der türkischen Regierung Verantwortung für etwas, wonach Ihren Worten zufolge eigentlich die deutsche zuständig ist: für die Integration. Erdogan hat den hier lebenden Türken auch gesagt, sie sollten deutsche Staatsbürger werden. Und er hat gesagt: Assimilation verletzt Menschenrechte. Hat er damit unrecht?

Von Assimilation redet niemand. Ich will türkische Bürger, die hier leben, nicht in dem Sinne assimilieren, dass sie Germanen werden! Die türkischen Bürger, die wir haben, werden türkische Wurzeln behalten wie die Menschen, die mal aus Polen hergekommen sind, polnische haben. Eine zwangsweise Assimilation ist nicht vereinbar mit Rechten auf Selbstbestimmung und Identität. Da hat Erdogan nichts Verkehrtes gesagt. Zur Frage nach der Verantwortung für Integration: Den Satz von der gescheiterten Integration, den einige verkünden, halte ich für Unsinn. Wir haben unzählige Fälle von gelungener Integration in der Bundesrepublik. Sicher gibt es Vorstellungen, wie es besser gehen könnte, gibt es Fragen und Probleme. Aber pauschal vom Scheitern zu reden, ist Quatsch.

Was ist gelungene Integration?

Sie ist gelungen, wenn Menschen, die als Einwanderer gekommen sind, sich als Teil der Bundesrepublik Deutschland verstehen - in zweierlei Hinsicht: Indem sie das Gefühl haben, hier nicht nur als Fremdkörper geduldet zu sein. Und zweitens, indem sie sich mit dem Wertesystem der Bundesrepublik identifizieren.

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