Köthener Prozess gegen Afghanen: Angeklagte weisen Vorwürfe zurück

Den Tod eines 22-Jährigen nutzten Rechtsextreme im September für rassistische Hetze. Jetzt beginnt der Prozess gegen zwei Beschuldigte.

Angeklagte, Übersetzer, Anwälte und Justizbeamte in einem Gerichtssaal

Die Angeklagten (in Rot) am Dienstag vor dem Landgericht Dessau-Roßlau Foto: dpa

DESSAU taz | Im September sorgte der Tod eines 22-Jährigen in Köthen (Sachsen-Anhalt) deutschlandweit für Aufmerksamkeit. Am Landgericht Dessau-Roßlau begann jetzt der Prozess gegen zwei junge Afghanen. Zum Auftakt am Dienstag haben die Angeklagten den Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge zurückgewiesen.

Am Abend des Köthener Stadtfestes war der 22-jährige Markus B. kurz nach einer Auseinandersetzung auf einem Spielplatz im Krankenhaus verstorben. Wie die Obduktion ergab, war dafür sein angeborener Herzfehler und nicht eine körperliche Attacke der beiden Angeklagten verantwortlich. Organisierte Neonazis und die AfD instrumentalisierten den Fall trotzdem für Hasskundgebungen.

Zu Beginn der Hauptverhandlung am Dienstag entschuldigten sich der 18-jährige Ezadullah M. und der 19-jährige Hedajalullah H. bei den Angehörigen des Verstorbenen. Die Mutter und eine Schwester saßen als Nebenkläger mit im Saal, in dem die zweite große Jugendkammer des Landgerichts verhandelte. Der „schreckliche Unfall tut mir unendlich leid“, erklärte Ezadullah M.

Beide lebten seit März 2018 als unbegleitete Flüchtlinge in Köthen, wirken intelligent und aufgeschlossen und sprechen leidlich deutsch. Einer von ihnen besaß eine Aufenthaltserlaubnis, dem anderen drohte die Abschiebung, die wegen eines Ermittlungsverfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung ausgesetzt wurde.

Wodka, Wein und Whisky

Beide Angeklagten äußerten sich am ersten Verhandlungstag ausführlich und widersprachen sich bei ihren Schilderungen nur im Detail. Die Stimmung sei an diesem Tag des Stadtfestes gut gewesen, berichten sie, wozu der Genuss von reichlich Wodka, Wein und Whisky schon seit den Vormittagsstunden beitrug.

Unbestritten scheint zu sein, dass es zunächst einen Streit unter vier afghanischen Freunden darüber gab, wer der Vater des Kindes einer schwangeren jungen deutschen Frau sei. Ausgelöst wurde er durch eine Bemerkung, dies sei wohl ein anderer als ihr längerfristiger afghanischer Hauptpartner. Dabei kam es auch zu Tätlichkeiten.

Den Einlassungen der beiden Angeklagten zufolge ließen sie aber voneinander ab, als sich eine größere Gruppe deutscher junger Männer von der anderen Straßenseite näherte. In der Gruppe befand sich offenbar auch ein Bruder des später Verstorbenen.

Angeklagte selbst angegriffen?

Aus der Gruppe heraus seien auch die Afghanen selbst geschlagen und getreten worden. Polizisten, die die jetzt Angeklagten nur eine Minute nach der Auseinandersetzung festnahmen, brachten sie mit Kopfverletzungen ebenfalls ins Krankenhaus. Erst dort erfuhren sie nach ihren Aussagen vom Tod eines offenbar Beteiligten, den sie zuvor nicht bemerkt, geschweige denn attackiert haben wollen.

Oberstaatsanwalt Hermann-Josef Gerhards und Vertreter der Nebenklage verwiesen in ihren Nachfragen allerdings auf Widersprüche zwischen diesen Aussagen und der ersten Vernehmung der Angeklagten in der Tatnacht, ohne diese konkret zu benennen. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt. Zunächst sind neun Verhandlungstage anberaumt.

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