Kollateralschäden der Finanzkrise: Verkauf von Emmentaler eingebrochen

Die Schuldenkrisen von EU und USA treffen auch Länder, die selbst ordentlich gewirtschaftet haben. Die Schweizer Firmen etwa leiden unterm teuer gewordenen Franken.

Bild: Manuel_Schäfer / photocase.com

Ob Käsehersteller, Pharmakonzerne oder die Tourismusindustrie - die Schweizer Wirtschaft leidet unter der Eurokrise und dem starken Franken. Die Maßnahmen der Nationalbank werden daran wohl wenig ändern.

Mit einer Ausweitung der Geldmenge und tieferen Zinsen für kurzfristige Anlagen hat die Schweizerische Nationalbank in dieser Woche damit begonnen, den "massiv überbewerteten" Franken zu schwächen. Danach legte der Euro zwar kurzfristig um bis zu drei Rappen zu, fiel bis gestern aber wieder unter die die Marke von 1,10 Franken. Ein Absinken des Euro auf eine 1:1-Parität mit dem Franken oder gar darunter wird von Experten weiterhin nicht ausgeschlossen.

Für Daniel Lauper, dessen Familie seit 1888 in Überdorf, Kanton Fribourg Emmentaler-Käse herstellte, kamen die Maßnahmen der Nationalbank ohnehin viel zu spät. Er musste seine traditionsreiche Käserei bereits Ende Mai schließen. Damals kostete der Euro noch über 1,30 Franken.

Seitdem haben vier weitere Käsereien dichtgemacht. Denn zwischen Januar und Mai dieses Jahres war der Verkauf von Emmentaler um fast 20 Prozent eingebrochen, verglichen mit einem Rückgang von lediglich drei Prozent in den ersten fünf Monaten des Vorjahres. Laupers Umsatz sank von 7,20 Franken pro Kilo Emmentaler auf 5,50 Franken.

60 Prozent des Schweizer Emmentaler wurde bislang exportiert - vor allem in den Euroraum. Und in den Eurostaaten "diktieren uns die Abnehmer ihre niedrigen Preise", klagt Käseexporteur Josef Hardegger, der Emmentaler an Detailhändler und Supermärkte in Deutschland verkauft. Zugleich sind in Folge der bilateralen Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU die Importe von Billigkäse aus Italien, Deutschland oder den Niederlanden - darunter auch "Emmentaler" - in den letzten zwei Jahren deutlich angestiegen.

Über Einbrüche im Exportgeschäft infolge des starken Franken, schwachen Euro und noch schwächeren US-Dollar klagen auch fast alle andere Branchen der Schweizer Wirtschaft - selbst die in Basel ansässigen multinationalen Pharmakonzerne. Novartis bilanziert zwar in US-Dollar, dessen schwacher Kurs den Umsatz des Konzerns positiv beeinflusst.

Doch der starke Franken schmälert den Betriebsgewinn. Denn nur 1,5 Prozent seines Gesamtumsatzes erwirtschaftet Novartis auf dem Schweizer Absatzmarkt, der Anteil des Franken an den Betriebskosten liegt hingegen bei rund 13 Prozent. Denn etwa 12.5000 der weltweit 119.000 Novartis-Mitarbeiter arbeiten in der Schweiz mit ihrem sehr hohen Lohnniveau. Ähnlich sieht die Lage beim Konkurrenten Roche aus.

Die Schweizer Tourismusbranche ist in doppelter Weise betroffen. Die ausländischen Gäste aus den USA und dem EU-Raum bleiben aus. Und mehr Eidgenossen als in den Vorjahren verbringen ihre Ferien nicht im Heimatland, sondern in den USA und in Ländern des Euroraums. Die Branche befürchtet für die laufende Sommersaison Einbrüche von über 30 Prozent.

Die Reaktionen auf die Maßnahmen der Nationalbank zur Schwächung des Franken schwanken zwischen vorsichtigem Optimismus und großer Skepsis. Es sei "positiv, dass die Nationalbank ein Zeichen setzt und der dramatischen Entwicklung nicht tatenlos zusieht", erklärte Swissmen, der Dachverband der Maschinen-, Bau und Elektroindustrie mit 330.000 Beschäftigen.

Uhrenunternehmer Jean-Claude Biver, der Luxusuhren in die ganze Welt exportiert, befürchtet allerdings, "dass die Intervention der Nationalbank nicht lange wirken wird". Möglicherweise sei "der Krebs der Aufwertung des Franken" schon so weit fortgeschritten, dass Hilfe zu spät komme.

Für Swissmechanik, den Dachverband von 1.400 mittelständischen Maschinen-und Elektrofirmen, ist die Zinssenkung der Nationalbank für kurzfristige Anlagen "nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Unerlässlich sei "die Einführung von Negativzinsen". Nur so ließe sich die Flucht ausländischer Spekulanten in den Franken bremsen.

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