Kolonialismus bei Straßennamen: Die Sklavenhalterin von Wedding

Neuer Streit um Straßennamen: Ist Königin Ana Nzinga erinnerungswürdig – oder geht es den Kritikern darum, gegen „neuen Kolonialismus“ zu wetttern?

Wer war Ana Nzinga: Sklavenhändlerin oder panafrikanische Ikone des antikolonialen Widerstands? Foto: François Villain, Litograph

Gerade eine Woche alt sind die Vorschläge der Jury für neue Straßennamen im Weddinger Afrikanischen Viertel, da steht einer der Namen schon wieder zur Disposition. Nachdem verschiedene Medien in den letzten Tagen massiv Kritik geübt hatten an der Entscheidung, Ana Nzinga, Königin von Ndongo und Matamba (heute Angola), auf die Liste zu setzen, ruderte die zuständige Bezirksstadträtin Sabine Weißler (Grüne) am Dienstagabend zurück. Die Jury werde erneut zusammentreten, „um auf die Kritik einzugehen und unter Umständen eine Ersatznominierung vorzunehmen“, erklärte sie.

Die Vorwürfe haben es in der Tat in sich: Nzinga sei eine „Königin, die mit Sklaven handelte“, titelte die Berliner Zeitung. „Die Holländer belieferte sie mit etwa 12.000 Sklaven pro Jahr“, schrieb der Tagesspiegel. Und für so jemanden solle Gustav Nachtigal weichen, der zwar „zeitweise in leitender Stellung bei der Kolonialverwaltung tätig war“, aber „gegen den Sklavenhandel kämpfte“? „Politische Korrektheit“ witterte da Tagesspiegel-Kolumnist Harald Martenstein. Die Welt sah gar „neuen Kolonialismus“ am Werk, denn in der Jury, die die Vorschläge erarbeitete, saßen „vor allem Mitglieder afrikanischer Herkunft“, die „sozusagen hauptberufliche Antirassisten“ seien.

Man nehme das sehr ernst, sagte Weißler, die selbst in der Jury saß, am Mittwoch der taz – auch wenn die Kritik „sehr unterschiedlich fundiert“ sei. „Es war immer Ziel der Jury, mit den Namen etwas zu vermitteln. Wenn das scheitert, muss man das womöglich ändern.“

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte hatte Anfang 2016 nach jahrelangen Diskussionen beschlossen, Lüderitzstraße, Petersallee und Nachtigalplatz umzubenennen. Alle drei Namen beziehen sich auf Männer, die im deutschen Kolonialismus wichtige Rollen spielten. Vorige Woche hatte nun eine Jury aus BezirkspolitikerInnen und Vertretern antirassistischer und antikolonialistischer Initiativen sechs Namen vorgestellt, aus denen die BVV drei wählen kann.

Über Königin Nzinga (1583-1663) und den Sklavenhandel habe man „natürlich“ diskutiert, so Weißler. Aber am Ende habe die Jury mehrheitlich „akzeptiert, dass sie auf der afrikanischen Seite als Heldin rezipiert wird. Das ist eine Frage des Respekts vor anderen Perspektiven“, findet die Stadträtin.

Wer war Ana Nzinga? Sklavenhändlerin, wie nun moniert wird, oder panafrikanisches Symbol des Widerstands gegen Kolonialismus, wie es etwa die UN-Kulturorganisation UNESCO sieht? Beides, sagt Andreas Eckert vom Institut für Asien- und Afrikawissenschaft der Humboldt Universität. „Sie hat versucht, gegen den Vormarsch der Portugiesen im heutigen Angola zu kämpfen, aber sie hat auch vom Sklavenhandel profitiert.“ Nzinga war eine ambivalente Figur, so Eckert: einerseits eine Art Amazone und eine der wenigen bekannten mächtigen Frauen der vorkolonialen afrikanischen Geschichte, andererseits mit ihrem Königreich Teil der damaligen Sklavenwirtschaft. Aber wegen dieser Ambivalenz sei die Wahl Nzingas als Namenspatin für eine Weddinger Straße „nicht so besonders geschickt“, findet der Afrikanist. Auf der anderen Seite, so Eckert, könne man aber auch nicht – wie der Tagesspiegel-Kolumnist – Nachtigal zu einem „bis heute respektierten Afrikaforscher“ machen. „Nachtigal stand für Herrendenken, Nationalismus und die Unterjochung Afrikas.“

Doch den Kritikern der Jury-Entscheidung gehe es ohnehin nicht um eine historisch korrekte Einordnung der diskutierten Namen, sagt Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und ebenfalls Jury-Mitglied. „Der Widerstand gegen Nzinga ist vorgeschoben“, glaubt er. „Es geht darum, den ganzen Umbenennungsprozess zu hinterfragen.“

Stadträtin Sabine Weißler

„Die Namen sollten etwas vermitteln. Scheitert das, muss man das ändern“

Christian Kopp von Berlin Postkolonial sieht das genau so. „Die Kritiker sehen offenbar grundsätzlich nicht ein, dass im afrikanischen Viertel Straßen nach afrikanischen Frauen benannt werden sollen.“ Allerdings ist auch seine Initiative mit den Namensvorschlägen nicht glücklich – weil die meisten keinen Bezug zu Berlin haben. „Ziel ist ja ein Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel“, erinnert Kopp an den BVV-Beschluss. „Die Straßennamen sollten uns also etwas lehren über deutschen Kolonialismus.“

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