Kolumne Afrobeat: Fake News für Zuma

Wie eine zynische PR-Kampagne Südafrika und den ANC in den Abgrund reitet. Präsident Zuma wird Korruption in 783 Fällen vorgeworfen.

Südafrikas Präsident Jacob Zuma

Jacob Zuma reißt den ANC mit in den Abgrund Foto: reuters

Südafrika ist ein globaler Vorreiter. Die Apartheid war bis zu ihrem Ende 1994 die extremste und langlebigste Form des institutionalisierten Rassismus auf der Welt. Die Überwindung der Apartheid auf dem Verhandlungsweg unter Führung Nelson Mandelas war das Vorbild für friedliche Konfliktlösung. Jetzt, eine Generation später, könnte Südafrika zum Beispiel dafür werden, wie eine Herrschaftselite an sich selbst zerbricht.

Präsident Jacob Zuma, seit 2009 im Amt, hat nicht nur durch skrupellose Vorteilsnahme und Begünstigung zwielichtiger Geschäftsfreunde den moralischen Nimbus der einstigen Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongress) zerstört. Es wurden auch, wenn man den zahlreichen Enthüllungen in Südafrika in den letzten Monaten Glauben schenken darf, bedenkenlos Propagandamuster aus der Zeit des Befreiungskampfes zur Diskreditierung von Gegnern eingesetzt, mittels einer gigantischen Fake-News-Kampagne.

Die Grundzüge der Geschichte sind schnell erzählt. Im Januar 2016 traf sich in Südafrika Präsidentensohn Duduzane Zuma, ein reicher Unternehmer, mit der führenden britischen PR-Firma „Bell Pottinger“. Zuma wünschte sich eine offensive Kampagne gegen die zunehmende Kritik an den geschäftlichen Verflechtungen zwischen der Politikerfamilie Zuma und der indischstämmigen Unternehmerfamilie Gupta, die zu einem der mächtigsten Familienunternehmerkonglomerate Südafrikas aufgestiegen war.

„Guptagate“ und das Schlagwort „State Capture“ – das Kapern des Staates – machten die Runde, weil Zuma den Guptas staatliche Einrichtungen zur Verfügung gestellt und Einfluss auf die Politik gewährt hatte und dafür Angehörige der Zuma-Familie von Guptas Geschäften profitierten. Der Verdacht lag nicht fern, dass der Präsident käuflich war.

Die Gegenkampagne, die 2016 für umgerechnet 100.000 britische Pfund (damals 130.000 Euro) im Monat zwischen der Gupta-Firma „Oakbay Capital“ und „Bell Pottinger“ vereinbart wurde, bestand darin, Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen – vor allem, dass „weißes Monopolkapital“ in Südafrika gegen schwarzen Erfolg intrigierte. Das „weiße Monopolkapital“, so wurde suggeriert, manipuliere Südafrikas Finanzministerium und die Zentralbank und untergrabe mit gekauften Journalisten den ANC – zum Beispiel mittels der Guptagate-Anschuldigungen.

Wirre Verschwörungstheorien

Das ganze Instrumentarium von Lügenpresse- und Rassismus-Vorwürfen wurde eingesetzt, mittels einer Armee Zehntausender fiktiver Konten auf sozialen Medien, um dem Guptagate-Skandal ein Pro-Zuma-Narrativ entgegenzusetzen. Zu den wilderen Auswüchsen dieser Kampagne, die ihren Urhebern schnell entglitt, gehörten Thesen wie die, dass die CIA nach Gaddafi in Libyen jetzt Zuma in Südafrika zu stürzen gedenke und dass ganz Südafrika von imperialistischen Agenten durchsetzt sei. Wer Zuma kritisierte, auch im ANC selbst, wurde als Agent dieser Verschwörung identifiziert. Niemand, der sich mit Südafrika beschäftigt, hat nicht irgendwann solche Märchen als angebliche Geheimenthüllungen zu lesen bekommen.

Glücklicherweise schaffte die Kampagne es nicht, die realen Ermittlungen gegen den Zuma-Gupta-Klüngel nachhaltig zu stören. Vielmehr bekam Bell Pottinger selbst Bauchschmerzen, weil Kunden sich von ihr trennten. Die Kampagne brach spätestens im November 2016 zusammen, als eine juristische Untersuchung von „Guptagate“ in Südafrika neue vernichtende Vorwürfe gegen Zuma und Gupta erhob und auch Bell Pottinger eine „spalterische Hasskampagne, um Südafrika entlang der Rassenlinien zu spalten“, vorwarf. Im April 2017 beendete die PR-Firma den Vertrag und eine firmeninterne Untersuchung kam zum Schluss, man habe sich „unethisch“ verhalten.

Südafrikas Oberstes Gericht bestätigte, dass Ermittlungen gegen Zuma in 783 Fällen zulässig sind

Wenn eine PR-Firma etwas unethisch nennt, darf davon ausgegangen werden, dass es schon fast kriminell ist. Zu Bell Pottingers PR-Kunden in der Vergangenheit gehörten Chiles Exdiktator Augusto Pinochet sowie Asma al-Assad, Ehefrau des syrischen Diktators, später organisierte die Firma die Propagandaabteilung der US-Armee im Irak.

Das alles war nicht unethisch – der Südafrika-Vertrag aber schon. In der gnadenlosen PR-Branche hilft Selbstkritik aber nicht. Bell Pottinger wurde vom Branchenverband ausgeschlossen und wird als Firma wohl nicht überleben.

Für Südafrika ist das Ausmaß des Schadens noch kaum abzusehen. Es ergibt sich folgendes Bild: Die Mächtigsten im Staat haben den einstigen Propagandisten der Apartheid angeheuert, um mittels Anti-Weißen-Propaganda die eigenen Privatinteressen und die ihrer reichen Freunde zu schützen.

Moralischer Bankrott

So sieht moralischer Bankrott aus. Und der Skandal ist nicht vorbei. Erst am vergangenen Freitag bestätigte Südafrikas Oberstes Gericht, dass Ermittlungen gegen Zuma unter 783 Korruptionsvorwürfen zulässig sind. Seine Tage im Amt scheinen gezählt.

Und es geht um mehr als Südafrika. Als Nächstes stehen die Wirtschaftsprüfer von KPMG sowie die Wirtschaftsberater von McKinsey auf dem Prüfstand, weil sie für Firmen im Gupta-Umfeld gearbeitet haben. Schon verlieren auch sie Kunden, und es rollen die ersten Köpfe. Was kommt als Nächstes? Alle Banken mit Gupta-Konten? Alle Geschäftspartner von ANC-Unternehmen? Gibt es irgendjemand, der in Südafrika tätig ist, der nie mit einer Firma im ANC-Umfeld zu tun hatte?

Südafrika ist neben Nigeria Afrikas größte Volkswirtschaft, sein Bergbau von globaler Bedeutung. Wen wird der Zuma-Gupta-Skandal noch alles mit in den Abgrund reißen?

Ist er der Grund, warum Barclays, die größte in Afrika aktive internationale Bank, vor einigen Monaten völlig überraschend den Rückzug aus dem Kontinent ankündigte? Fällt Afrikas vollwertiger Eintritt in die globalisierte Wirtschaft nun der Implosion des ANC zum Opfer?

Als der ANC 1994 an die Macht kam, war das für ganz Afrika eine Quelle der Inspiration, ein Symbol einer besseren Zukunft. Heute könnte sein Fall ganz Afrika mit in den Abgrund reißen.

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ist Afrika­redakteur der taz und leitet das taz-Auslandsressort. Zuletzt erschien von ihm, Simone Schlindwein und Bianca Schmolze: „Tatort Kongo – Prozess in Deutschland. Die Verbrechen der ruandischen Miliz FDLR und der Versuch einer juristischen Aufarbeitung“ (Ch. Links Verlag).

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