Kolumne American Pie: Vielversprechende Frischlinge

Vor dem NBA-Start wird viel von den Neulingen geschwärmt. Etliche Experten sprechen von einem kommenden Traumjahrgang.

Der 19-jährige Andrew Wiggins (rechts) steht stellvertretend für ein Dutzend Heranwachsender, denen eine große NBA-Karriere prophezeit wird. Bild: dpa

Und plötzlich trainiert da ein 2,03 Meter großer, über und über tätowierter Kraftathlet, dort an der Copacabana in Rio de Janeiro. Gefolgt und umschwärmt von unzähligen Fans und Kameras joggt LeBron James in diesem Oktober mit seinen Teamkollegen im Rahmen der Global-Tour durch den warmen Sand. James weiß, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Seine Rückkehr zu seinem Heimatklub Cleveland Cavaliers bestimmte die lange Sommerpause. Der Vorzeigespieler steht mal wieder voll im Fokus, ließ fast sogar den NBA-Draft 2014 in Vergessenheit geraten – dabei hatte es der in sich. Und das hat auch mit LeBron James zu tun.

Ende Juni wählen die 30 Liga-Teams alljährlich die größten Talente von den US-Colleges und aus dem Rest der Basketballwelt aus. Die im abgelaufenen Jahr schlechtesten Klubs dürfen zuerst ihre Wunschspieler an Land ziehen – in der Hoffnung, er möge glorreichere Zeiten einläuten. Ein Name wurde dabei besonders häufig genannt. Andrew Wiggins war so etwas wie der LeBron James des Uni-Sports.

Der 19-jährige Kanadier hatte sich schon an der High School ins Rampenlicht gespielt, ein starkes Jahr am College in Kansas verstärkte dann den Hype noch. Die Cavaliers sicherten sich beim Draft die Talente des Flügelspielers. „Ein Traum wird wahr“, gluckste Wiggins ins Mikrofon, „mir gehen gerade tausend Gedanken durch den Kopf.“

Quasi zeitgleich verzichtete James, der Weltbasketballer, das NBA-Aushängeschild, auf seine Vertragsverlängerung in Miami, wenige Tage später wurde seine Rückkehr nach Ohio vermeldet – und wiederum wenig später wurde Wiggins, der eigentlich Auserwählte, in einem umfangreichen Tauschgeschäft an die Minnesota Timberwolves abgegeben, für den begehrten Star-Flügelspieler Kevin Love. Flugs war Cleveland ein Meisterkandidat.

Zwölf Top-Rookies

Dieser Draft-Jahrgang 2014 ist wahrlich ein besonderer. Experten überschlugen sich im Vorfeld mit Lobeshymnen auf die Frischlinge. Das renommierte „Slam“-Magazin hievte gleich zwölf Top-Rookies gemeinsam aufs Titelbild, fragte darunter: „Der beste Jahrgang seit 2003? 1996? 1984?“ Jene drei Drafts gelten gemeinhin als die hochkarätigsten der Liga-Historie. 1984 ist allein schon durch das NBA-Debüt von Michael Jordan, dem größten der Großen, unantastbar. 1996 debütierten Spieler wie Kobe Bryant, Allen Iverson, Steve Nash oder Ray Allen, heute Legenden. 2003 kamen mit James, Carmelo Anthony und Dwyane Wade drei der bestimmenden Spieler des letzten Jahrzehnts in die Liga.

2014 steht Wiggins stellvertretend für ein gutes Dutzend Heranwachsender, denen mindestens das Potenzial für mehr als anständige Karrieren prophezeit wird. „So eine Fülle an hochklassigen Talenten hatten wir noch nie“, bestätigt selbst Spieler-Legende Charles Barkley, seit Jahren als TV-Experte aktiv und bekannt meinungsfreudig.

Ob Flügelspieler Jabari Parker bei den Milwaukee Bucks, Aufbau Dante Exum bei den Utah Jazz oder Aaron Gordon, nun bei den Orlando Magic aktiv: Viele Klubs aus dem NBA-Tabellenkeller legen ihr Schicksal mehr denn je in die Hände der Rookies. „Dieser Draft war der vielleicht interessanteste aller Zeiten“, sagt auch NBA-Experte Bill Simmons von ESPN, „alleine schon wegen der Zukunftsaussichten, die dieser Jahrgang mit sich bringt.“

Dass das auch durchaus ins Auge gehen kann, müssen die Philadelphia 76ers nun schon zum zweiten Mal erfahren: 2013 wählte die Klub-Führungsetage Center Nerlens Noel aus – obwohl der sich noch kurz zuvor am College das Kreuzband gerissen hatte. Noel musste seine gesamte erste Saison aussetzen und steht erst jetzt vor seinem Debüt.

Hoffnung auf eine bessere Zukunft

In diesem Jahr versuchten es die „Sixers“ mit Center Joel Embiid – obwohl der sich erst wenige Tage zuvor einer komplizierten OP am Fuß unterzogen hatte und noch lange fehlen wird. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für das chronisch schwache Team lässt das Management hoch pokern.

Wiggins indes wird sich trotz aller Vorschusslorbeeren im eher beschaulichen Minnesota eventuell doch besser entwickeln können als im ständigen Scheinwerferlicht eines Stars. Die Aufmerksamkeit, die ein LeBron James genießt, wird ihm voraussichtlich früher oder später eh zuteil.

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