Kolumne American Pie: Überragende Verlierer

Die Kür des besten Spielers der NBA-Saison ist heikel. Die größten Favoriten der Basketballliga schauen bei den Playoffs nur zu.

Zwei basketballspieler im Sprung nach dem Ball

LeBron James (re.) möchte nicht nur Vierter sein Foto: ap

Nur nicht noch einmal Dirk Nowitzki. Wenn die NBA am 26. Juni in „Basketball City“, einem hochmodernen Sportkomplex in New York, ihre Besten kürt, ist der deutsche Star der Dallas Mavericks in gewisser Weise mitverantwortlich. Zum allerersten Mal werden die Trophäen für den besten Spieler, Trainer, Verteidiger und mehr in einer feierlichen Zeremonie verliehen. Bisher gab die Liga die Gewinner stets im Abstand weniger Tage mitten während der Playoffs bekannt.

Die deutsche Legende der Dallas Mavericks erlebte 2007 aber gleich ein doppeltes Desaster. Damals schieden die Texaner als bestes Team im Westen der NBA bereits in der ersten Playoff-Runde gegen die Golden State Warriors aus. Knapp zwei Wochen später erhielt Nowitzki trotzdem die Auszeichnung zum MVP – die von Sportjournalisten abgehaltene Wahl war bereits vor Playoff-Beginn durchgeführt worden. Noch heute gilt die Ehrung als tragikomisch – und als mahnendes Beispiel für verfrühte Entscheidungen. 2017 kann das nicht mehr passieren – und trotzdem steht die Kür des besten Spielers bereits in der Kritik.

„Ich war schon lange nicht mehr Vierter“, sagt LeBron James. Die Liga-Ikone war trotz erneut herausragender Spielzeit bei der Vorauswahl der diesjährigen Top-3 übergangen worden. Stattdessen lagen in der Gunst der abstimmenden Journalisten James Harden, Russell Westbrook und Kawhi Leonard vorne. Sowohl Harden als auch Westbrook spielten in historischem Ausmaß überragend. Harden führte die Houston Rockets zur drittbesten Siegesbilanz der Liga, war zweitbester Offensivspieler mit 29,1 Punkten pro Partie – direkt hinter Westbrook. Bei den Korbvorlagen lag Harden mit 11,2 sogar vorn – eine seltene Kombination aus eigenem Abschluss und Pass­qualitäten.

Westbrook gelang gar Unmögliches: 31,6 Zähler, 10,7 Rebounds und 10,4 Assists pro Partie. Ein „Triple Double“ im Saisonschnitt, also zweistellige Werte in drei Kategorien. Oscar Robertson hatte das als bisher einziger Spieler der Geschichte über 82 Saisonspiele hinweg geschafft – vor 55 Jahren. Der dritte Kandidat Leonard überragte für die San Antonio Spurs in Angriff und in der Verteidigung. Alle drei wären also statistisch mehr als würdige Gewinner.

Das aktuelle Problem jedoch: Harden und Westbrook scheiterten bereits früh in den Playoffs. Harden leistete sich ausgerechnet im entscheidenden Spiel gegen die San Antonio Spurs – mit Leonard – das schlechteste Saisonspiel. Leonard wiederum verletzte sich im ersten Spiel der Conference Finals gegen die Golden State Warriors am Knöchel, musste zusehen, wie sein Team in der Nacht zu Dienstag das vierte Spiel der Serie verlor. Nach dem 115:129 sind die Spurs ausgeschieden.

James dagegen spielt auch in den Playoffs groß auf, hievte seine Cleveland Cavaliers mit überragenden Leistungen aktuell bis in die Conference Finals, also ins Halbfinale. Mit Ausnahme von Nowitzki schaffte es der frisch gewählte MVP mit seinem Team zuletzt 2002 nicht unter die letzten vier. Tim Duncan schied mit den Spurs damals bereits im Viertelfinale aus. Bleibt die Frage, ob die Wahrnehmung einer Leistung über 82 Saisonspiele durch zehn Playoff-Partien maßgeblich beeinflusst werden sollte.

„Alle wissen, was ich bringe“, sagt James, seit Jahren wohl der beste Basketballer der Welt. „Es ist wie damals bei Michael Jordan“, meint James’ Teamkollege J. R. Smith. „Er könnte jedes Jahr MVP werden, aber sie möchten wohl etwas Abwechslung.“ Tatsächlich klagt James doch auf sehr hohem Niveau: Vier Mal wurde der 32-Jährige bereits zum besten Spieler ausgezeichnet, nur die Ikonen Jordan (fünf) und Kareem Abdul-Jabbar (sechs) haben mehr Trophäen.

„LeBron wäre sicher lieber Finals-MVP“, sagt Ex-Spieler und TV-Kommentator Reggie Miller. „Diese Auszeichnung wird ihm wichtiger sein als die für die Saison.“

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