Kolumne Basta: Vegan werden

Muss man jetzt vegan sein? Unter uns: Das passt mir irgendwie gar nicht in den Kram.

Ein bisschen Rohkost. Bild: dpa

Ich bin ja ein durchaus progressiver Typ. Aufgeschlossen, selbst für Neues. Massentierhaltung lehne ich ethisch ab, und der Zusammenhang von Fleischproduktion, voranschreitendem Klimawandel und dem Verursachen von Hunger, Durst und Leid bei anderen Menschen ist mir genauso klar wie, dass es so wie bisher auf keinen Fall weitergehen kann. Deshalb bin ich bewusster Flexitarier und meilenweit vor den unverbesserlichen Konservativen, speziell denen der Sozialdemokratie und ihrem seltsamen Kulinarik- und Politikverständnis („Currywurst ist SPD“). Wer weiß, vielleicht werde ich sogar Vegetarier.

Aber nun stößt man ständig auf Vegan-Kochbücher in den Bestsellerlisten, Vegan-Supermärkte, Vegan-Restaurants, Vegan-Starköche. In L.A. trinken Sie nur noch grüne Säfte. Und in Berlins Super-Grünen Kreisen verschenkt man zu Hochzeiten nur noch Hochgeschwindigkeitsmixer für Gemüse-Drinks. Ist man in fortschrittlichen Kreisen selbst als Vegetarier nur noch 2. Klasse-Avantgarde und als ganz Toller muss man jetzt vegan sein? Unter uns: Das passt mir irgendwie gar nicht in den Kram.

Pasta statt Schnitzel, das kann ich mir merken. Aber ohne Eier und Milch wird es kompliziert, von den Schuhen und meiner Bettdecke nicht zu reden. Gerade so ein progressives Leben ist doch schon anstrengend genug. Ich frage meine Bekannten, was ich tun soll. Und was stellt sich heraus? Dass es zwar in den Großstädten inzwischen viele Veganer gibt, aber offenbar noch viel mehr politisch Progressive, die auch Gründe brauchen, warum sie lieber nicht Veganer werden. Für den einen ist Fleischessen eine „irreparable Erbsünde “, für die zweite ist Veganertum eine „modische Ess-Störung“.

Die Dritte verweist auf die nicht zu ersetzenden Nährstoffe der tierischen Produkte Milch und Eier. Der Vierte sagt, aus Tofu könne man leider keine Rouladen rollen. Die fünfte assoziiert vegan mit „Belehrung“ und „Schönreden“. Alles schön und gut. Aber damit kommt man argumentativ nicht mehr durch. Wer auf Partys noch intellektuell ernst genommen werden will, muss sich heutzutage mit der Vitalstoffdichte eines Grünkohl-Spinat-Banane-Smoothies auskennen. So sieht’s aus.

Doch dann sagt mir der Sechste, das Denken einer Trennung zwischen tierischem und pflanzlichem Leben, Objekt und Subjekt, folge aus der Regredierung unserer grob gewordenen westlichen Sinne. In der animistischen Kosmologie der amerikanischen Ureinwohner sei jedes Objekt ein unvollständig interpretiertes Subjekt.

Das ist es, denn das bedeutet ja wohl: Als Veganer würde ich zwar Tiere schützen, aber Pflanzen diskriminieren! Das aber wäre ungerecht, empörend und unerträglich. Und das kann und will ich auf keinen Fall.

Peter Unfried, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 2/2014. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.