Kolumne Basta: Macht Schuhe kaufen glücklich?

Woher kommt der Zwang, neues Zeug zu kaufen? Eine Diskussion mit dem Sohn im Schuhgeschäft.

Glitzernd und glänzend: Schuhe, Schuhe, Schuhe. Bild: dpa

In unserem Leben geht es darum, möglichst viel billiges Zeug zu kaufen, das man nicht braucht. Das weiß jedes Kind. „Kauf dir endlich die verdammten Schuhe“, knurrt Adorno. Er ist 14, Mitglied unserer Familie und trägt neuerdings eine Brille, mit der er wie Adorno aussieht. Und wie ein Werber.

Wir befinden uns in einem Outlet des Turnschuhgiganten N in der kalifornischen Wüste. Er wedelt mit einem Paar Laufschuhe. Kosten 70 Dollar, in Berlin angeblich 140 Euro. Je mehr man kauft, desto mehr spart man. Das ist genial und muss doch sogar einem Vollpfosten wie mir einleuchten. Aber was soll ich mit neuen Laufschuhen? Ich habe doch schon ein Paar.

Er hat zu Hause bestimmt zehn Paar und jetzt schon wieder drei in der riesigen Tasche, mit der man hier zum Einkaufen geschickt wird. Es läuft also auf einen Showdown hinaus. „Der ständige Kauf neuer Schuhe macht doch nicht wirklich glücklich“, sage ich leise.

Er gibt mir den Adorno-Blick. „Wir müssen unsere Produkte länger nutzen, Sohn“, sage ich, „in Zukunft werden wir auch unsere Möhren selbst anbauen und unsere Fahrräder selbst reparieren.“ Er: „Ich esse keine Möhren, ich fahre nicht Fahrrad, und du kaufst jetzt diese verdammten Schuhe.“

Die konsumfixierte Gesellschaft

Nochmal: Mein Laufschuhe sind älter als mein Sohn und offenbar von der falschen Marke, aber ich kann damit im Rahmen meiner Möglichkeiten laufen. Weil ich jemand kenne, der jemand kennt, sind sie sogar schon einmal repariert worden. Das darf Adorno aber nicht wissen, sonst würde er sofort ausziehen. Er ist ja schon immer knapp davor, sich zur Adoption freizugeben, wenn er mein Vintage- Mobiltelefon Baujahr 2003 sieht.

Woher kommt nur dieser Zwang bei ihm, Zeug zu kaufen? Wenn er länger als zwei Stunden nichts kauft, fängt sein Körper zu zucken an. Vielleicht ist er ideologisch angeschlagen und fürchtet, dass ich durch meinen Konsumboykott die Arbeitsplätze in der Turnschuhindustrie vernichte. Oder ist es mit der Muttermilch eingesogen? Von mir hat er das jedenfalls nicht.

„Wir müssen die konsumfixierte Gesellschaft hinter uns lassen“, rufe ich. Und dass wir als verantwortungsbewusste Weltbürger unseren verdammten Beitrag leisten müssten, damit weniger produziert und transportiert werde, dass Flächen, Wälder und Bäume erhalten bleiben. Ich übergehe taktvoll das folgende Geschrei und setze wieder ein, als er endlich nachgibt. Na, also. Mein Sohn!

„Und wie sieht dein Beitrag konkret aus?“ „Ich werde in meinem ganzen Leben kein einziges gedrucktes Buch kaufen“, sagt er. Rein ökologisch betrachtet ist das ein guter Anfang. Aber wenn seine Mutter das erfährt, bin ich erledigt.

Peter Unfried, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 4/2014. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.