Kolumne Behelfsetikett: Vergesst Eidinger!

Wenn es in der Schaubühne immer „ausverkauft“ heißt, hat man gar keine Lust mehr, dorthin zu gehen. Gibt ja auch andere Theater.

der Schauspieler Lars Eidinger auf der Bühne

Die große Eidinger-Show: der Schauspieler als Richard III. Foto: dpa

Früher war nicht alles besser. Aber billiger. Karten fürs Theater oder die Oper zum Beispiel. Das liegt natürlich daran, dass alles immer teurer wird. Und daran, dass ich selbst älter geworden bin und schon lange nicht mehr mit einem Studentenausweis eine Karte für die Volksbühne für schlappe 5 Mark oder eben 5 Euro bekomme … Ach, sechs Stunden „Nibelungen“ für so wenig Kohle!

Wobei: Sechs Stunden am Stück in einem Theatersessel kann ich heute meinem Rücken nicht mehr zumuten.

Ich habe mich letztens dabei ertappt, dass ich Theaterstücke nicht nur nach Interesse, sondern auch nach deren Dauer auswähle. Zweieinhalb oder höchstens drei Stunden ­gehen noch in Ordnung. Es sei denn, es handelt sich um etwas ganz Besonderes. Wobei, nicht mal „Richard III.“ geht über drei Stunden.

Die schon jetzt legendäre Inszenierung an der Schaubühne habe ich leider erst einmal gesehen. Durch Zufall: Ein Kollege hatte zwei Karten abzugeben, er hatte sie „übrig“, weil seine Frau ebenfalls zwei Karten ergattert hatte – für ein und dieselbe Vorstellung. Mir ist bis heute schleierhaft, wie die beiden das angestellt haben. Ich habe das ganze vergangene Jahr versucht, noch einmal Tickets für „Richard III.“ mit dem grandiosen Lars Eidinger zu bekommen. Vergeblich. Immer hieß es schon: Ausverkauft! Egal wann und wie früh ich mich um Karten bemühte. Ausverkauft! Ausverkauft!

Und auch für andere Schaubühnen-Stücke habe ich nie Tickets bekommen. Also die, die ich spannend finde. Zuletzt habe ich damit geliebäugelt, mir zwei Gastspiele beim Anfang April startenden FIND, dem Festival Internationale Neue Dramatik, in der Schaubühne anzusehen; ich hatte mir Produktionen englischsprachiger Theater herausgesucht. Erst war ich optimistisch, die Stücke standen immerhin gleich drei Mal im Programm. Ich hätte auch eine Aufführung am Nachmittag genommen – aber alles schon ausverkauft, und das Anfang März. Aber auch alle Alternativen waren schon weg. Und „Richard III.“ als Ersatz – ach, das alte Lied.

Keine Lust mehr auf die Abfuhr

Und so verabschiede ich mich hiermit von der Schaubühne. Ich habe einfach keine Lust mehr, mir ständig Abfuhren zu holen. Geh ich eben wieder öfter ins Deutsche Theater, die Volksbühne oder das Berliner Ensemble, wie früher schon, als Student. Denn siehe da: Hier kriegst du noch ganz normal Karten, man braucht kein Glück oder Beziehungen oder muss sich eine Nacht um die Ohren schlagen, um auf der Lauer für die Freischaltung eines Kartenkontingents zu liegen. Nimm das, Schaubühne!

Okay, um die One-Man-Show Eidinger ist es irgendwie schade. Aber es gibt ja auch an den anderen Häusern Schauspielerinnen und Schauspieler von Format. Alleine am BE: Sascha Nathan als Macbeth ist eine Wucht! Stefanie Reinsperger als Mutter in „Der kaukasische Kreidekreis“, der Hammer! Was für eine „Kunst“ – stimmt, das Superstück läuft ja auch am BE.

Das Schöne am Berliner Ensemble ist, dass man vor und nach der Vorstellung prima in der Kantine sitzen, essen, trinken, schwatzen und vor allem gucken kann. Schauspieler hocken da immer, vor ihrem Auftritt und auch gern nach der Arbeit: Eben noch auf der Bühne, schon sitzt Macbeth unter uns, nur eben abgeschminkt und in Trainingsjacke. Ganz ohne Starallüren, völlig unprätentiös, ja, man möchte fast sagen: proletarisch.

Der Heiner Müller trinkt Whisky

Ich muss beim Schreiben dieser Zeilen an Heiner Müller denken und wie er früher sommers Zigarren rauchend und Whisky trinkend im Biergarten saß und sich beim Schwadronieren begucken ließ.

Okay, Müller ist lange her. Aber es gibt ja auch andere Menschen, die was hermachen, die man sich bei Rhabarberschorle oder Rotwein, dazu eine Brezel oder hausgemachte Bulette, anschauen kann, weil es einfach Spaß macht. Nico Holonics zum Beispiel, der am BE in „Die Blechtrommel“ für Furore sorgt. Seit September 2017 ist er Teil des Berliner Ensembles, ich hab ihn aber gerade erst entdeckt. Holonics spielt auch im „Kaukasischen Kreidekreis“ und „Die Verdammten“ und anderen Inszenierungen mit. Der Typ ist richtig gut, macht was her (auf der Bühne und in der Kantine) und sieht auch noch klasse aus. Vergesst Eidinger. Entdeckt doch alle endlich mal was Neues!

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