Kolumne Besser: Die Islamfaschisten und ihre Feinde

Was hätten Leute, die nun über die kurdischen Kämpfer gegen den IS die Nase rümpfen, über die ukrainischen Bauern gesagt, die Auschwitz befreiten?

Gedenkdemonstration für Ivana Hoffmann am Wochenende in ihrer Heimatstadt Duisburg. Bild: reuters

Am Wochenende haben sich in Duisburg etwa 3.000 Menschen auf einer Gedenkdemonstration von Ivana Hoffmann verabschiedet. Am Wochenende wurde sie im kleinen Kreis bestattet.

Die junge Frau war Anfang März bei den Kämpfen in Rojava, also den kurdischen Gebieten Syriens, ums Leben gekommen – nicht auf Seiten des Islamischen Staates, sondern im Kampf gegen ihn, als Mitglied der türkischen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) und unter dem Kommando der syrisch-kurdischen „Volksverteidigungseinheiten“.

Die erste deutsche Frau, die beim Kampf gegen den IS getötet wurde. 19 Jahre alt, lesbisch, der Vater aus Togo, die Mutter Deutsche. Eine Abiturientin, die im Sommer vorigen Jahres die Schule abbrach, um sich, wie sie es formulierte, der „Revolution in Rojava“ anzuschließen.

Die MLKP ist eine stalinistische Partei, die in ihrer Programmatik wie in ihrer der Symbolik aus der Zeit gefallen wirkt. Auch der Märtyrerkult, den sie nun um Ivana Hoffmann betreibt („unsterblich geworden“), ist befremdlich, um nicht zu sagen: abstoßend. Auch bei PKK oder ihrem syrischen Ableger, der PYD, gibt es gute Gründe, Distanz zu wahren, ebenso wie bei den irakisch-kurdischen Peschmerga oder der Freien Syrischen Armee.

Doch es sind nun mal diese Menschen, die sich der islamfaschistischen Barbarei des IS entgegenstellen. Als effektivster Gegner des IS haben sich bislang die PKK und die PYD erwiesen – natürlich auch dank der USA und ihrer Verbündeten, was wiederum viele derer, die die „Revolution von Rojava“ bejubeln, lieber verschweigen, weil es nicht in ihre antiimperialistische Streichholzschachtelwelt passt.

Aber genau darum, eben weil diese Leute nicht nur für sich, sondern, wie es Stéphane Charbonnier, der ermordete Chefredakteur von Charlie Hebdo formulierte, stellvertretend für die gesamte Menschheit den Kampf gegen IS führen, sind diese selbstgefälligen Kommentare aus der Ferne, die nach dem Tod von Ivana Hoffmann allenthalben zu vernehmen waren, so niederträchtig. Dieser Pseudohumanismus („Da werden junge Menschen als Kanonenfutter verheizt“), diese pegidahafte, aber auch unter türkischen Nationalisten beliebte blödsinnige Äquidistanz („Da kämpft eine Terrorgruppe gegen die andere“), diese Herabwürdigung („Die 19-jährige wurde verblendet“).

19-Jährige aus Kansas

Man muss Organisationen wie die MLKP und die PKK nicht feiern. Aber man kann wenigstens bei Todesmeldungen einfach mal die Klappe halten, erst recht, solange niemand – am allerwenigsten die Bundesregierung – daran denkt, eigene Soldaten in den Kampf gegen den IS schicken.

Und: Was wussten eigentlich 19-Jährige aus Kansas oder Georgia von der Welt, als sie in der Normandie landeten? Welches Weltbild hatten 19-Jährige aus dem galizischen Sumpfland oder der kasachischen Steppe, die Auschwitz befreiten? Was trieb 19-Jährige aus Manchester oder Danzig dazu, sich den Verteidigern von Madrid anzuschließen?

Und was hätten diese Leute, die nun über Ivana Hoffmann und die anderen Kämpferinnen und Kämpfer gegen den IS die Nase rümpfen, wohl über diese Menschen gesagt?

Besser: Sie behalten es für sich.

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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