Kolumne Boston Buddies: Nacktfotos im Pick-up

Massachusetts Senator Scott Brown verfolgt mich in seinem Auto. Und seine entscheidende Wahlbotschaft verschweigt der Mann dann auch noch.

Ich träume von einem Unfall. Scott Brown wird ihn haben. Nichts Schlimmes, ich hab eigentlich nichts gegen den Mann. Ein Blechschaden, damit sein verdammter Pick-up endlich Schrott ist. Brown ist Senator in Massachusetts und möchte das nach der Wahl im November auch gerne bleiben.

Und ich bin gern gut informiert, bevor ich in die Redaktion fahre. In Ermangelung eines Radios und einer erschreckend schlechten Wlan-Verbindung in meinem Zimmer, schalte ich morgens also den Fernseher ein. Der Amerikanisiserungsprozess läuft.

Dazu gehört auch, dass ich ohne Protest Miete zahle, die an Wucher grenzt, Kabelanschluss darin aber nicht inbegriffen ist. Natürlich bietet das Basis-Paket etwa 45 Kanäle, zieht man den Schrott ab, bleiben die drei großen Netzwerke und CNN. Ich probiere jeden Morgen eine andere „Nachrichtensendung“ aus (mit Glück mal was aus Syrien, auf jeden Fall was von Prinz Harry). Von ABC, zu NBC, zu CBS und wieder zurück. Scott Brown ist überall. Mit seinem Pick-up.

Wahlwerbung ist ein probates Mittel, um die Botschaft an die Wähler zu bringen. Ich verstehe das. Und da Mitt Romney zwar mal in Massachusetts Gouverneur war, aber dennoch – oder gerade deshalb – keine Chance auf Erfolg hier hat, bleibt man sogar von der aggressiven Negativkampagnen-Schlacht im Präsidentschaftswahlkampf verschont. Ich möchte gerade nicht in Ohio sein.

Aber Scott Brown, der hat’s schon auch drauf. Schafft es, in einem kurzen Spot zwei Kernbotschaften unterzubringen: „Ich bin einer von euch“ – daher der Pick-up – und, „ich honoriere die Arbeit unserer Truppen“.

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Jeden Morgen zwischen 6.50 Uhr und 7.10 Uhr besucht Brown mit seinem Pick-up Thomas Hudner, einen Veteranen aus dem Koreakrieg, um ihm für seinen Dienst an der Nation zu danken. „This is Scott Brown from the road.“ Aha, gut zu wissen. Der Pick-up hat’s auch noch nicht deutlich genug gemacht.

Alternativ fährt Brown mit seinem Pick-up ab und zu zu den wirtschaftlich gebeutelten Fischern an die Küste des Wahlkampfgebiets. Oder, und das ist mein absoluter Favorit, er fährt einfach nur rum, um von seiner gar nicht mal so leichten Kindheit zu erzählen.

Die er heute als erfolgreicher Anwalt längst hinter sich gelassen hat. Es gibt gar Gerüchte, dass es den Pick-up schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt in der Familie Brown. Aber was tut man nicht alles. Vermutlich ist es gar nicht Browns Schuld. Seine demokratische Konkurrentin Elizabeth Warren kommt wie eine biedere Bibliothekarin daher, auch nicht viel besser.

Es müssen die zwei Wochen Parteitagswahnsinn sein, die mir Brown und sein Auto verleidet haben. Zu viel Pseudogeschwurbel, zu viel Pathos, viel zu wenig Programm. Meine amerikanischen Kollegen sind da abgestumpfter. Da braucht es schon Bill Clinton, um überhaupt mal politische Diskussionen zu führen. Verständlich, scheint präsidialer Glanz doch heller als schrille Tea-Party-Freaks. Ob es einen deutschen Politiker gebe, der die Menschen so mitreißen könne, will mein Kollege Ken von mir wissen; noch mit ganz verklärtem Blick. Es kostet einiges an Zeit und Wortschatz, ihm die Fallhöhe von Bill Clinton zu Philipp Rösler zu vermitteln.

Aber wer ist schon Bill Clinton? Scott Brown ganz sicher nicht. Wobei ... Lebemänner sind sie anscheinend beide. 1982 gewann Brown Cosmopolitans „America’s Sexiest Man“-Wettbewerb – und posierte nackt im Heft. Die Bilder in seinem Pick-up – das wäre doch mal eine Wahlkampfbotschaft.

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Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.

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