Kolumne Darum: Warte, warte noch ein Weilchen …

„Warte kurz ...“ – dieser Halbsatz ist es, der Eltern die ewige Verdammnis bringt. Die Verdammnis zu warten. Was hätten wir in dieser Zeit alles tun können.

Ihr habt jetzt Schule. Und wir? Wir warten. Bild: dapd

Vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Älteren unter uns werden sich erinnern, stammt die der Nutzpflanzensetzerei entlehnte Weisheit: „Nur die Harten kommen in den Garten“. Damit lag er wie so oft falsch. Richtig müsste sie heißen: „Nur die Harten können lange warten.“

Wir Eltern wissen das, stehen wir doch Stunde um Stunde auf zugigen Fußballplätzen, vor Schwimmbadeingängen, in Fluren, Bade- und Kinderzimmern. Oder wir sitzen in Autos, auf Parkbänken und zu kleinen Sitzschalen, während der Nachwuchs noch im Kino, auf dem Schulhof oder beim Zähneputzen beschäftigt tut.

„Warte kurz“, „gleich“, „ich muss nur noch schnell ...“ – diese Halbsätze sind es, die uns die ewige Verdammnis bringen. Die Verdammnis zu warten. Die Verdammnis herumzustehen und zu rätseln, was genau „gleich“ bedeutet, wie schnell wohl „noch schnell“ ist, ob „kurz“ wirklich kurz bedeutet oder eher ein bisschen mittellang oder möglicherweise auch sehr lang, aber nur für Erwachsene.

Warten ist nichts Schlimmes. Man kann sinnvolle Dinge tun, kann Lesen, Twittern, Mitmenschen betrachten, in der Nase bohren oder den Kindern bei dem zusehen, was angeblich „gleich“ vorbei sein wird. Nur: So viele Bücher, Tweets, Mitmenschen und Kinderaktivitäten gibt es gar nicht, dass die Warterei damit gefüllt werden könnte. Ich weiß, wovon ich rede – ich warte nun seit fast 11 Jahren.

Hätte ich gewusst, was mich erwartet, hätte ich ein System entwickelt oder einen Plan entworfen, um die Wartezeit möglichst produktiv zu nutzen. Ich spräche jetzt vier Sprachen mehr, darunter auch komplexe wie Finnisch und Ungarisch. Zwei bis drei komplette Studiengänge wären absolviert bzw. einer inklusive Promotion und Habilitation. Statt Bücher zu lesen, hätte ich welche schreiben können. Zwei Romane und zwei Sachbücher wären locker drin gewesen. Ich sehe ein schönes, großes Haus vor mir, von mir allein erbaut.

Hätte, hätte, Fahrradkette. So einfach ist es nicht. So einfach machen es uns die Kinder nicht. Wir dürfen nicht einfach nur warten, sondern werden beim Warten meist einbezogen in die geschäftige Welt der kleinen Aktivisten. Beim Zähneputzen werden uns die Wichtigkeiten des Tages erzählt, beim Zubettgehen purzeln „schnell noch“ hundert Fragen aus dem Kind. Ob man diese CD, jenes Buch, das spezielle Kuscheltier gesehen habe? Denn ohne das, dieses und jenes könne man einfach noch nicht ins Bett gehen bzw. werde sich die Wartezeit von „gleich“ vielleicht auf „warte mal eben“ verlängern.

Andere hinzuhalten, ohne dass sie es merken, und Andere hinzuhalten, sodass sie es merken, aber nichts dagegen tun können, sind Künste, die Kinder perfekt beherrschen. Woher haben Sie d...

– „Papa? Wann bist du mit deiner Kolumne fertig? Du hast gesagt, das geht schnell und wir können dann zusammen spielen!“

– „Zwei Sätze noch, warte kurz.“

– „Du hast es aber versprochen ...“

– „Jaha, gleich!“

– „Was soll ich denn in der Zwischenzeit machen?“

– „Ich muss nur noch schnell die Schlusspointe ...“

– „Ich warte jetzt schon sooo lange.“

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Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.

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