Kolumne Die B-Note: Danke, Dresden!

Das Publikum beim Viertelfinale buhte Marta aus – provinziell und kleinkariert. Aber für die Geschichtsschreibung ist das gut.

Sie ist raus. Marta hat es wieder nicht geschafft, ist wieder nicht Weltmeisterin geworden. Dabei hätte sie es verdient, mehr als irgendjemand sonst im Turnier. Sie ist die Unvollendete, die ihren Traum nicht hat verwirklich können, obwohl sie fast übermenschlich dafür gearbeitet hat.

Marta hätte es verdient, nicht ihr Team. Sie ist nicht an sich selbst gescheitert, und das dürfte ihren Schmerz noch verschlimmern. Es war Marta, die gegen die USA 120 Minuten vollen Einsatz zeigte, die rannte und schoss, passte und kämpfte, als gäbe es kein Morgen. Gibt es ja jetzt auch nicht.

Sie hat die zwei Tore gemacht, dank deren es überhaupt zum Elfmeterschießen kam. Es ist nicht ihre Schuld, dass die Wiederholung des Elfmeters von Cristiane nicht ganz einleuchtet. Dass sie ihn übernommen und reingemacht hat, leuchtet dafür umso mehr ein.

Cristianes Arroganz war mindestens so groß wie die Martas – mit dem Unterschied, dass sie nicht gerechtfertigt war. Cristiane hat einen Strafstoß verschossen, hat egoistisch nicht nur eine Großchance verballert und im Elfmeterschießen so herablassend getroffen, dass man ihr gewünscht hätte, auch diesen Strafstoß hätte Hope Solo gehalten. Doch ausgebuht wurde Marta, nicht Cristiane.

Die Ignoranz des Dresdner Publikums

Das Publikum in Dresden hat nicht verstanden, dass sich sein Pfeifkonzert gegen die größte Fußballspielerin aller Zeiten richtete. Es hat kleinkariert und provinziell nur den Moment gesehen. Ja, sie hat gezetert und geschimpft, dass sie gut vom Platz hätte fliegen können. Vor allem aber hat sie gezaubert, war mit dem Ball schneller als ihre Gegnerinnen ohne.

Marta ist immer noch und bis auf Weiteres die beste Fußballerin, die dieses Spiel bislang gespielt hat. Dresden aber wollte das nicht sehen. Dresden hat gebuht und gepfiffen. Dresden hat sich, in letzter Konsequenz, gegen das schöne Spiel entschieden.

Dieses Viertelfinale hat Stoff für Geschichten geliefert, die noch in Jahrzehnten erzählt werden dürften. Stoff, der dem Frauenfußball immer noch in großer Fülle fehlt. Diese WM hat schon jetzt neue Gesichter hervorgebracht, neue Ikonen geschaffen. Das Viertelfinale USA gegen Brasilien hat, nach dem Ausscheiden der Deutschen, fußballhistorisch noch eins draufgesetzt.

Die Tragik des Auftritts von Marta in Dresden ist eines dieser Kapitel, die der Frauenfußball nun in seine noch so kurze Geschichte hineinschreibt. Gerade dass das Dresdner Publikum das verkannte und die tragische Heldin in Pfiffe tauchte, hat dieses Kapitel noch dramatischer gemacht. Danke, Marta! Danke, Dresden!

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Jahrgang 1982, seit 2009 bei der taz. 2011/2012 Redakteurin für die „berlinfolgen“, die mit dem Grimme Online Award 2012 ausgezeichnet wurden. Von Anfang 2013 bis Juli 2014 leitete sie zusammen mit Julia Niemann das Online-Ressort der taz. Anschließend wechselte sie zu Spiegel Online.

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