Kolumne Die Charts: "S. machte mir Aussicht auf einen Fick, aber nicht mit ihr"

Die Charts heute mit Wolfgang Welt, Jakob Ajouni, Grizzly Bear, The Knack, Tarzan, Cohn-Bendit, Amendt, Iniesta und der SPD.

Weltliteratur: Der relativ legendäre Bochumer Nachtwächter Wolfgang Welt hat ja einst einen autobiografischen Roman namens "Peggy Sue" geschrieben. Den hat er nun zum dritten Mal variiert. Diesmal heißt das Buch "Doris hilft". Er erzählt in "wahren Sätzen" (Willi Winkler) vom Leben in Bochum im 20. Jahrhundert. Und weiter davon, dass der draußen vor jeder Tür stehende Ich-Erzähler eigentlich immer Sex mit und Liebe von Frauen haben will - aber es läuft nichts bzw. überhaupt nichts mehr. Welt bleibt ein Meister des ersten Satzes. Bei "Peggy Sue" hieß es: "Etwa zwei Jahre nach unserer ersten Begegnung machte mir Sabine am Telefon Aussicht auf einen Fick, allerdings nicht mit ihr selber, sondern mit ihrer jüngeren Schwester." Tja, damals hatte er noch Hoffnung. Und: Wer würde da nicht weiterlesen? In "Doris hilft" heißt es nun desillusioniert: "Kaum aus der Psychiatrie entlassen, holte ich mir auf meiner Mansarde einen runter."

*

Knallliteratur: Der Krimischriftsteller Jakob Arjouni hat wieder einen Romanversuch vergeigt. "Der heilige Eddy" (Diogenes) ist interessant bis Seite 28. Und danach so lieb- und sinnlos runtergeschrieben wie ein Degeto-Drehbuch. Ein freiwilliger Test ergibt indes: Die "Kayankaya"-Krimis kann man immer noch lesen.

*

Musik: 1. Die Musikjournalisten tun so, als sei "Veckatimest" von Grizzly Bear das Ding des Jahres. Keine Ahnung, ob sie das ernst meinen oder ob das stimmt. Aber "Two Weeks" mit seinem schönen Piano plus Doo-Wah-Tenören ist ein guter Song.

2. Vor dreißig Jahren, im Juni 1979, erschien die erste Single von The Knack. Titel: "My Sharona". Im August toppte sie dann die Billboard-Charts. Inmitten der sogenannten Disco-Welle redete man mir ein, die Beatles seien auferstanden. Es war dann ein okayes Album ("Get The Knack") und ein außergewöhnlicher Popsong, den man heute noch hören kann. Was ich gerade getan habe.

3. Tarzan ist wieder da - Willem. Top 5 im Februar 1977. Der Plot: Tarzan kommt am Muttertag nach Afrika zurück, fällt in die Fallgrube und wird vom weißen Hai gefressen, den er irrtümlich für einen "guten Freund von Tarzan" hält. Klingt seltsam, aber Kinder des 21. Jahrhunderts unterbrechen Peter-Fox-Konsum, um das zu hören.

*

Die Charts im Juni.

Good: Sich mit dem Grund des Erfolges von Daniel Cohn-Bendit beschäftigen. Das ist: Wiederbelebung des grünen Projektes durch Erweiterung sowie Verbindung von Utopie und Realpolitik.

Good: Zum 70. von Günter Amendt noch mal "Sexfront" lesen bzw. ankucken.

Good: Andres Iniesta, Europas - step aside, Messi - Fußballer des Jahres.

Bad: Intelligente Menschen grübeln immer noch über Abgreifen von Abwrackprämie.

Ugly: SPD.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.