Kolumne Die Couchreporter: So gut kann Sexualkunde sein

Wenn der Sohn der Sexualtherapeutin Mitschüler berät: Netflix' „Sex Education“ zeigt, dass Aufklärung und Humor doch zusammenpassen.

Foto aus der Netflix-Serie „Sex education“

Eric (Ncuti Gatwa) und Otis (Asa Butterfield) – und „Oh, mein Gott“ Foto: Sam Taylor/Netflix

Als ich klein war, dachte ich, dass ein Mann und eine Frau beim Sex gleichzeitig einen Orgasmus haben müssten, um ein Kind zu zeugen. Mit meinem ersten Sexualkundeunterricht wurde dieser Irrglaube zwar beendet, doch viel mehr praktische Tipps – außer wie man ein Kondom über den Stiel eines Kehrbleches zieht – haben wir nicht gelernt. Wir mussten zwar die lateinischen Begriffe für alle Teile der äußeren Geschlechtsorgane auswendig lernen, doch als Kind und Teenager gab es deutlich drängendere Fragen zu Körper und Sex.

Wie finde ich meine sexuelle Identität? Wann weiß ich, dass ich bereit für Sex bin? Wie nehme ich auf die Wünsche meiner Partner*in Rücksicht, ohne etwas zu tun, was ich nicht will? Das sind einige der Fragen, denen sich die in der ersten Staffel achtteilige Netflix-Serie „Sex Education“ von Laurie Nunn unter der Regie von Kate Herron und Ben Taylor widmet.

Im Mittelpunkt der Serie, deren zweite Staffel schon in Auftrag gegeben wurde, steht der 16 Jahre alte Schüler Otis (Asa Butterfield). Er ist Außenseiter an seiner Schule, schüchtern und Sohn der Sexualtherapeutin Jean – die von der überragenden Gillian Anderson gespielt wird. Von ihr bekommt er zwar viel Wissen mit, sie ist allerdings so unangenehm offen, dass Otis jeden Morgen Pornohefte und Taschentücher voller Handcreme auf seinem Bett drapiert und vorgibt, masturbiert zu haben, um unangenehmen Gesprächen mit seiner Mutter vorzubeugen.

Da Otis das nötige Know-how hat und das scheinbare Bad-Girl Maeve (Emma Mackey) dringend Geld benötigt, gründen sie gemeinsam eine Sexklinik in der Schule. Was sonst? Otis, der selbst keine sexuellen Erfahrungen gemacht hat, berät also künftig seine Mitschüler*innen in allen Sex – und Liebesfragen – und das mit einer ansehnlichen Erfolgsquote: So hilft er dem Rektorensohn, der Erektionsprobleme hat und beim Sex einen Orgasmus vortäuscht; einem Mädchen, das das Licht beim Sex gerne ausschaltet, weil sie ihren Körper hasst; oder einem lesbischen Pärchen, bei dem es mit Sex einfach grundsätzlich nicht funktionieren will.

Kein rückständiges Frauenbild

Neben konkreten Lösungsvorschlägen bekommen die Schüler*innen vor allem jemanden an die Seite, der sich ihnen einfach widmet. Fragen stellen, Reden, Zuhören und Ausprobieren. Solange es einvernehmlich ist, gibt es kein richtig und falsch.

Was aufgeschrieben etwas platt wirkt, wird in der Serie subtil und mit viel Humor immer wieder verdeutlicht und gezeigt. Das ist die whl größte Leistung der Produktion. Und „Sex Education“ macht das besser, als es alle Frauen-, Mädchen- und Jugendmagazine jemals hinbekommen hätten. Denn hier wird kein rückständiges Frauenbild transportiert und bei den Sex-Tipps wird nicht nur daran gedacht, dass Frauen Männern Freude bereiten sollen.

Und: Neben hilfreichen Tipps gibt es endlich mal eine nicht mit Pathos aufgeladene Abtreibungsszene, einen diversen Cast und ganz viel Sex. Und zwar schnellen, langsamen, ungemütlichen, mit und ohne Orgasmus. Alles in allem also sexpositive Aufklärung, von der sich der Schulunterricht und die meisten Eltern noch einiges abgucken können. Apropos Eltern: Da man in „Sex Education“ teilweise nackte Körper sieht, ist die Netflix-Serie erst ab 16 Jahren freigegeben. Müssen Teenager sie eben mit ihren Erziehungsberechtigten anschauen. Umso besser. Lernen alle was.

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