Kolumne Die eine Frage: Grüne gegen Grüne

Kann Dieter Salomon die Oberbürgermeisterwahl in Freiburg noch gewinnen? Was es jetzt wirklich braucht, ist eine Politisierung dieser Wahl.

Ein Mann, Dieter Salomon

Kann er es wieder werden? Freiburgs Bürgermeister Salomon vor der Wahl Foto: dpa

Vor ein paar Wochen fragte ich Dieter Salomon, was er zu dem Gemurmel sage, er sei erste Wahl, um eines fernen Tages Winfried Kretschmann als Ministerpräsident von Baden-Württemberg nachzufolgen. Salomon sagte, er stehe dafür nicht zur Verfügung. Ich entgegnete: Klar, warum sollte man zum Ministerpräsidenten absteigen, wenn man schon Oberbürgermeister von Freiburg ist?“ Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen“, antwortete Salomon lachend.

Es war ein selbstironisches Spiel mit dem leicht überzogenen Anspruch der „grünsten Stadt der Welt“ (Guardian), auch führende Weltgeistmetropole zu sein. Und gleichzeitig schimmerte etwas von dem durch, was Weggefährten ihm unterstellen: Salomon, 57, sei wahnsinnig gern Oberbürgermeister von Freiburg und noch längst nicht fertig.

Tja. Nun gibt es sehr ernst zu nehmende Leute, die sagen, der grüne Amtsinhaber habe so gut wie keine Chance mehr, im zweiten Wahlgang am 6. Mai zu gewinnen. Obwohl er nur eine relative Mehrheit braucht und mit 31,3 Prozent nicht weit hinter dem parteilosen Martin Horn liegt (34,7). Die Logik geht so: Wenn bei einer baden-württembergischen Bürgermeisterwahl in einem inhaltsarmen und parteipolitisch nicht polarisierten Wahlkampf in einer prosperierenden Stadt knapp 69 Prozent gegen den amtierenden OB stimmen, dann ist das kein „Schuss vor den Bug“, wie Salomon hofft.

Es ist aber auch nicht der klare Wunsch nach einer bestimmten anderen Stadtpolitik. Die einen treibt die Wohnungsnot um (ihnen fehlt linke Sozialpolitik), die anderen das Sicherheitsthema (ihnen ist Salomons Flüchtlingspolitik zu links), die dritten sind Nimbys und von Stadionneubau und neuem Stadtteil (also neuen Wohnungen) genervt, den vierten ist Salomon zu grün-schwarz, den fünften wieder zu progressiv.

Zeitgeist des Genervtseins

Nein, die schlechte Nachricht für Salomon lautet: Was wirklich viele über die Wohnpolitikkritiker hinaus eint, ist das Ziel, die Person Salomon zu versenken. Da addiert sich politische Differenz mit einem Zeitgeist, der einfach nur noch genervt ist und es dem da oben jetzt mal zeigen will.

Und das betrifft eben auch die eigentliche Kernkundschaft, deren Ablösung der CDU-Bürger als hegemoniale Gesellschaft von Baden-Württemberg damit begann, dass der vormalige Landtagsfraktionsvorsitzende Salomon sich 2002 in Freiburg gegen eine CDU-Kandidatin durchsetzte. Während CDU und SPD diesmal keinen eigenen Kandidaten nominierten (CDU unterstützt Salomon, die SPD Horn), hat die ehemalige Grüne Monika Stein 26,2 Prozent mit einem „linksliberalen“ Bündnis geholt. Das zeigt, wie groß das sozialökologische Potenzial ist. Es zeigt aber auch, wie schwer es Salomon fällt, beides zusammenzubringen angesichts des Widerspruchs, dass Freiburg wachsen soll (sozial/progressiv) und nicht wachsen soll (ökologisch/bewahrend). Die Supergrünen auf dem Vauban müssten, aus der Ferne betrachtet, der Motor seiner Politik sein. Aber das Milieu fühlt sich auch als eine Art Hausbesitzer-Anti-Establishment. Dafür scheint vielen der Vollprofi Salomon keine Identitätsfigur mehr zu sein.

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Jetzt sagen die einen Strategen, dass Monika Steins erneutes Antreten Salomon rette, und die anderen, dass er damit gar keine Chance mehr habe. Die Dritten sagen, er müsse jetzt eine Woche durchlächeln, Selfies auf Facebook stellen und sich jegliche Ironie verkneifen.

Quatsch. Was es jetzt braucht, ist eine Politisierung dieser Wahl. Macht Dieter Salomon insgesamt einen guten Job und ist er der beste Kandidat? Das ist die eine Frage, die zählt. Und sonst gar nichts. So viel politisches Bewusstsein muss man von Freiburg erwarten dürfen.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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