Kolumne Draussen im Kino: Den Zeppelin übersehen

Martin Schulz, problemlose Akkreditierung, Promo-Taschen, Sabu-Filme, „House in the Fields“ und immer wieder Fassbinder.

Die Schauspieler Chen Chang und Runyin Bai in dem Film "Mr. Long"

Auf „Mr. Long“ von Regisseur Sabu freut sich unser Autor Foto: 2017 Live Max Film / LDH Pictures

Als ich am Mittwoch am Willy-Brandt-Haus vorbeigehe, bin ich ein bisschen irritiert. Statt der üblichen freundlichen Worte, mit denen die SPD die Gäste der Berlinale begrüßt, grinst ein vergnügter Martin Schulz mit den Worten „Zeit für mehr Gerechtigkeit – Zeit für Martin Schulz“ von der SPD-Zentrale.

Martin Schulz erinnert an Fritz, den neuen Knut und auch ein bisschen an den Berlinale-Bären, der sich an die Pfähle der U-Bahn-Station kuschelt. Am Po-Platz ist noch nicht so viel los. Die Akkreditierung verläuft ohne Probleme. Weil die MitarbeiterInnen so nett sind, ist man gleich gut gelaunt und bekommt in den Katakomben des Berlinale-Palasts die diesjährige Berlinale-Tasche überreicht. Sie macht einen stabilen Eindruck und lässt sich gut als Rucksack tragen.

Besonders schön, dass man neben der Tasche auch einen Thermokaffeebecher der Firma „Nespresso“ geschenkt bekommt. Einen solchen Becher hatte ich mir schon lange gewünscht, und ich bin so froh wie der Mops im Paletot.

Leider gibt es am Mittwoch noch gar keine Filme, die Berlinale beginnt nämlich erst am Donnerstag: Ich Schaf! Zum offi­ziellen Beginn des Festivals ist der verschmitzte Kanzlerkandidat wieder durch den Gruß der SPD an die Berlinale-Gäste ersetzt worden.

Ständig gibt es Fassbinder

Zu Hause werden die Programme studiert. Schön, dass es einen neuen Film von Romuald Karmakar gibt. „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ handelt von „fünf Pionieren der elektronischen Musik“ und davon, wie sie das so sehen. Ricardo Villalobos ist auch wieder dabei. Ein bisschen ärgere ich mich, dass auch Fassbinder wieder dabei ist, diesmal in einer neu restaurierten Fassung von „Acht Stunden sind kein Tag“. Ständig gibt es Fassbinder, so als hätte es Achterbusch, der nie wiederholt wird, nie gegeben.

Besonders freue ich mich auf den neuen Film, „Mr. Long“, von Sabu, den es diesmal in den Wettbewerb verschlagen hat. Die Berlinale-Jahrgänge, in denen Filme des genialen japanischen Regisseurs gezeigt wurden, waren oft noch besser als die ohne einen neuen Sabu-Film.

Am Donnerstag lohnt sich der Film von Amman Abasi, heißt „Dayveon“, spielt im Süden der USA und erzählt von einem 13-jährigen Jungen, dessen großer Bruder als Mitglied einer Gang erschossen wurde. Der Junge möchte auch in eine Gang. Der Freund seiner großen Schwester möchte sein Bruder sein. Es wird viel gekifft, aber ohne rechte Freude.

Die Dokumentation „House in the Fields“ von Tala Hadid spielt in einem Dorf im Hohen Atlasgebirge in Marokko. Aus der Perspektive der 16-jährigen Khadija wird von der Berbergemeinschaft erzählt. Khadija liebt die Schule und alle Lehrer. Später möchte sie gerne Rechtsanwältin werden. Ihre Schwester wird heiraten und nach Casablanca gehen. Wie Khadija von Frauenrechten singt, ist einer der ersten Höhepunkte des Festivals.

2010 war der japanische Regisseur Yuya Ishii mit dem großartig humorvollen Film „Sawako Decides“ im Forum vertreten. Sein neuer Film, „Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue“, variiert teils virtuos die vorherrschenden Themen des jungen japanischen Kinos: Entfremdung, Außenseitertum, Liebe, Verunsicherung, Sehnsucht. Mika arbeitet tagsüber als Krankenschwester und nachts in einer Karaokebar. Shinji ist auf einem Auge blind und verdient sein Geld auf ­einer der vielen Baustellen Tokios. Der nächtliche Himmel ist wun­derschön. Weil alle auf ihre Handys gucken, sehen sie nicht den Zeppelin, der plötzlich zwischen den Hochhäusern auftaucht.

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