Kolumne Familie und Gedöns: Eine Wunde und mütterliche Eitelkeit

Das Kind hat sich verletzt – und will nur vom Vater versorgt werden. Eigentlich wollte ich das auch so. Doch nun macht mein Herz einen Sprung.

Schatten von Vater mit Kindern vor einer Wand, auf der lauter bunte Hände sind

„Mit Paposch!“, wimmert mein Sohn und klammert sich an den Arm meines Freundes Foto: Peter Kneffel/dpa

Ich betrachte mich als moderne Mutter. Mein Freund und ich kümmern uns nahezu gleichberechtigt um den Haushalt. Und auch für die Erziehung unseres gemeinsamen Sohns war er von Anfang mitverantwortlich.

Wenn ich eins vermeiden wollte, dann war es das: ein weinendes Kind, das sich aus den Armen seines Vaters windet und sich nur von Mama beruhigen lässt.

Das ist mir gelungen.

Freitagnachmittag, 15.30 Uhr, Anruf aus dem Kindergarten: „Können Sie Ihren Sohn heute etwas früher abholen? Er hat eine Platzwunde am Kopf und weint ziemlich doll.“ Mein Herz setzt für eine Sekunde aus, während mein Hirn schon in Windeseile die nächsten Schritte plant:

Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.

Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de

Meinen Freund anrufen, der sowieso auf dem Weg in die Kita war. Check. Herausfinden, welcher Arzt noch offen hat. Check. Chipkarte und Arztheft suchen. Check. Stullen schmieren und ein Kinderbuch einpacken, um die Wartezeit beim Arzt zu überbrücken. Check.

Ich steige aufs Rad, lege die zwei Kilometer bis zum Kindergarten doppelt so schnell wie sonst zurück. Anders als erwartet, stehe ich dort nicht etwa meinem blutüberströmten Kind gegenüber. Mein Freund hat die Blutung längst mit einer Kompresse gestillt. Die Tränen sind getrocknet.

Zum Arzt müssen wir trotzdem. „Mit Paposch!“, wimmert mein Sohn und klammert sich an den Arm meines Freundes. Wieder macht mein Herz einen kleinen Sprung. Diesmal nicht vor Sorge.

Wieso mit Papa?, schießt es mir durch den Kopf. Kann jemand das Kind mal daran erinnern, wer es unter Schmerzen herausgepresst und über Monate gestillt hat?! Das hier ist ja wohl eindeutig mein Job!

Doch mein Sohn sieht das anders. „Mit Paposch!“, fordert er nun schon vehementer. Ich atme tief durch. Versuche das überkommene Rollenmuster in meinem Kopf beiseitezuschieben, auch wenn das meiner mütterlichen Eitelkeit widerstrebt.

Gleichberechtigt zu sein, denke ich, nachdem ich die beiden schließlich an der Bushaltestelle verabschiedet hatte, das heißt eben auch, für seine Kinder nicht immer die unangefochtene Nummer eins zu sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.