Kolumne Fernsehen: Digitale Hehlerei

Springer kämpft: N24 lässt die NDR-Satiresendung „Postillon24“ verpixeln, und „Bild“ jammert über den Diebstahl von Texten durch „Focus Online“.

Der Mikrofonschutz und das „P24“-Logo unten links mussten bei der „Postillon24“-Sendung dran glauben. Tabelle: NDR

N24 hat dem NDR und seiner Satiresendung „Postillon24“ per einstweiliger Verfügung verboten, weiterhin das P24-Logo zu verwenden. Es sei dem eigenen N24-Logo zu ähnlich. Das ist konsequent, denn inhaltlich kann sich N24 mit seinem Quatsch (Riesenbagger, Riesenpanzer, Riesengeschichte) kaum von „Postillon24“ absetzen. Gut, dass nun auf optischem Wege für Klarheit gesorgt wird.

Konsequent ist das auch, weil Springer – zu dem N24 mittlerweile gehört – schon einmal versucht hat, die Onlinesatireseite Der Postillon platt zu machen. Damals wollte man einfach nur „die Möglichkeit eines branchenübergreifenden Austauschs unter Medienkollegen“ ausloten, wie die ausgefuchsten Bild-Entscheider an Postillon-Gründer Stefan Sichermann schrieben.

Sichermann ließ die Postillon-Leser eine Absage formulieren – mit dem freundlichen Hinweis: „Gerne können Sie sich auch telefonisch zwischen 03:45 und 03:55 Uhr bei uns melden. Fragen Sie einfach nach ,Renate'. Unsere Dame an der Infohotline weiß Bescheid.“ Renate scheint nicht rangegangen zu sein. Jetzt müssen die Anwälte ran.

Darf man von „klauen“ reden?

Apropos Anwälte und Springer. Bild.de-Chef Julian Reichelt versucht nun gegen Diebe im Internet vorzugehen. Reichelt hat nämlich in der Ferne gesehen, dass die Kollegen von Focus.de Inhalte von Bildplus – dem kostenpflichtigen Teil von Bild.de – klauen.

Darüber hat sich Reichelt ganz doll aufgeregt und spontan (vermutlich nach einem kleinen Umweg über Kai, Mathias, die Pressestelle, etc.) mit Peter Turi von turi2 geschnackt und der hat dem Bild-Oberonliner prompt die gewünschte Frage gestellt: „Warum hält Springer still, wenn Focus Online mit wachsender Begeisterung bei Bildplus Exklusivthemen abgreift?“

Reichelt darf – nachdem der Diebstahl in der Frage schon als Fakt formulierte wurde – dann was von „klauen“ und „ausschlachten“ faseln. Schlimm, schlimm. „Nicht so schön für Sie und alle, die mit Inhalten im Web Geld verdienen wollen“, pflichtet Turi voller Mitgefühl bei. „Digitale Hehlerei“ sei das, schluchzt Reichelt.

Dass Focus Online in einem von Reichelt im Interview angeprangerten Artikel über die Probleme bei WhatsApp bereits im ersten Satz auf die Quelle (Bild.de) hinweist und verlinkt, wird unterschlagen.

Was soll das Geheul?

Was will Reichelt also? Dass aus Quellen, für die andere Menschen Geld bezahlen, weil sie hinter einer Paywall sind, nicht mehr zitiert werden darf? Die Paywall gedruckter Zeitungen und Zeitschriften heißen Kiosk und Abo – dürfen wir nun nicht mehr aus diesen zitieren? Je länger man über Reichelts Worte nachdenkt, desto mehr gute Gründe fallen einem ein, warum die Juristen des Hauses Springer bei diesem Streit wohl abgewinkt haben könnten.

Einen Lacher hat Reichelt aber dann am Ende doch noch auf seiner Seite, als er auf den Focus-Online-Chef und ehemaligen Bild-Kollegen Daniel Steil zu sprechen kommt: „Es tut mir ein bisschen leid um ihn, weil er eigentlich ein netter Kollege ist, aber er ist auf die dunkle Seite gewechselt.“

Der Presserat hat in dieser Woche vier öffentliche Rügen wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex ausgesprochen. Alle betreffen Springer: eine die Welt – und drei Reichelts Bild.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.