Kolumne Fernsehen: Ist von mir? Find ich gut

Jan Fleischhauer hatte selbst am Drehbuch zum Wulff-Film „Der Rücktritt“ mitgewirkt – trotzdem durfte er im „Spiegel“ über den Film schreiben.

Kai Wiesinger als Christian Wulff in „Der Rücktritt“. Bild: Sat.1/Stefan Erhard

Was kosten eigentlich – sagen wir mal – drei Seiten Werbung im Spiegel? Egal, der Sat.1-Film „Der Rücktritt“ über Christian Wulff dürfte sie für lau bekommen haben. Denn da durfte sich Jan Fleischhauer noch einmal auf mehreren Seiten über den Fall Wulff auslassen, garniert mit Fotos aus dem Sat.1-Streifen. Dazu noch ein Artikel bei Spiegel Online, auch von Fleischhauer – und natürlich alles pünktlich zur Ausstrahlung des Films.

Dazu muss man wissen: Fleischhauer hat selbst an dem Drehbuch des Dokudramas „Der Rücktritt“ mitgewirkt. Das macht die gedruckte Ausgabe des Hamburger Magazins in einer kleinen Fußnote und die Onlineversion im Teaser deutlich. Immerhin.

Dennoch bleibt ein ekliger Beigeschmack, wenn man liest, wie Fleischhauer auf Spiegel Online erklärt, dass die Detailtreue mit Kleinigkeiten beginne – und warum man die Geschichte um den gestürzten Bundespräsidenten, „dieses Drama“, generell „nur als Eingeschlossenen-Drama erzählen kann“ und dann noch den Hauptdarsteller Kai Wiesinger lobt, „weil er den Charakter herausarbeitet, statt sich an Äußerlichkeiten wie einer Imitation des Gangs oder der Sprechweise aufzuhalten“.

Spiegel-Gründer Rudolf Augstein hat einst seine selbstverfassten Theaterstücke im eigenen Magazin rezensieren lassen. Und zwar von unbefangenen Journalisten. Redakteur Hans Toll verriss 1947 daraufhin das Augstein-Stück „Die Zeit ist nahe“ mit den Worten: „Es dauerte etwas, bis man sich dem traditionellen Genuss des Beifallspendens einigermaßen hingab.“

Vorbild Rudolf Augstein

Rudolf Augstein hätte den Artikel natürlich verhindern können. Er tat es nicht. Angeblich wollte der Chefredakteur stattdessen Souveränität beweisen. Ein edler Zug, der beim Spiegel anscheinend irgendwann auf dem Weg von damals bis heute verloren gegangen ist.

Eine Rezension von einem unbeteiligten Journalisten haben sich die Fast-alles-Rezensenten von SpOn zumindest geklemmt – oder sie haben sie so gut versteckt, dass ich sie nicht gefunden habe.

Der Rezensent oder die Rezensentin wäre womöglich zu einem anderen Schluss gekommen als Fleischhauer, vielleicht wären gar Worte wie „langweilig“, „vergeudete Lebenszeit“, „geht nicht über die Nachrichten hinaus“ oder „jede N24-Doku ist spannender als das Leben des Christian Wulff und dieser Film“ im Text aufgetaucht. Vielleicht.

Und der Film floppte doch

Immerhin vermeldete das Onlineportal am Tag nach der Ausstrahlung, dass das Dokudrama „äußerst schwache Quoten für den Sender“ geliefert hatte. Sat.1 hatte nur 2,78 Millionen Zuschauer vor den Fernseher locken können. Marktanteil: 8,8 Prozent.

„Angesichts der hohen Aufmerksamkeit im Vorfeld sind diese Zahlen für den Sender enttäuschend“, heißt es in der DPA-Meldung auf Spiegel Online.

Enttäuschend. Aber gerecht.

Wer spannende Politunterhaltung will, kann ja auf „Borgen“ oder „House of Cards“ zurückgreifen. Die werden auch auf Spiegel Online rezensiert. Von unbefangenen Redakteuren. In guter augsteinscher Tradition.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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