Kolumne Fernsehen: Mitteldeutscher Hyänenfunk

Wie ich, wenn ich betrügerisch veranlagt wäre, ein Altenheim abzocken würde – eine Meditation zum Betrugsskandal um den Kinderkanal Kika.

BERLIN taz | Was ist da los in Leipzig? Eine Frage, die man sich angesichts des MDR-Programms gar nicht oft genug stellen kann. Meine Lieblingssendung ist die Glückwunschshow "Alles Gute" mit Petra Kusch-Lück, die jeden Sonntagnachmittag von einem anderen Stern sendet - eine Obsession, die ich übrigens mit Bastian Pastewka teile. "Ein fröhlicher kleiner Jongleur macht mit Bällen irgendwas Verrücktes, vom Band wird ein Lied von Semino Rossi abgespielt, und der greise Jubilar freut sich", beschreibt der Comedian das Konzept. "Da fällt mir fast die Fernbedienung aus der Hand vor lauter Fassungslosigkeit, wenn ich sehe, wie eine Moderatorin Grüße ins Altersheim schickt und dabei so tut, als wäre das ihre große Samstagabendshow."

Die wenigsten kennen den Namen des Mannes, der für solche TV-Perlen verantwortlich ist, seit Mittwoch sind es ein paar mehr: Udo Foht heißt er, der Unterhaltungschef des Mitteldeutschen Rundfunks. Am Mittwoch wurde er suspendiert, wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Foht soll MDR-Briefpapier für private Zwecke genutzt und so Dritte zu Zahlungen veranlasst haben. Dem MDR sei nach derzeitigem Kenntnisstand kein finanzieller Schaden entstanden, teilte der Sender eilig mit. Ums Image scheint man sich beim MDR schon gar nicht mehr zu sorgen – ist eh zu spät.

Erst am 5. Juli ist der frühere Herstellungsleiter des Kika, bei dem der MDR federführend ist, zu rund fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der einstige Sendermanager hatte laut Anklage mit fingierten Aufträgen und Scheinrechnungen seinen Arbeitgeber um Millionen geprellt. Die internen Überprüfungen nach dem Betrugsskandal haben Foht überführt. Gegen elf weitere Personen ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit.

Und was macht der Intendant? Der ist dann mal weg. Obwohl Udo Reiters Vertrag bei der Anstalt ohne Anstand eigentlich noch bis 2015 läuft, wird er nach 20 Jahren beim MDR bald aufhören. Wer darin eine Flucht aus dem Amt sieht, muss nur mit Reiters Widerspruch rechnen.

Ein kenntnisreicher Bekannter hat die ARD neulich als "Sozialzoo" voller bizarrer Geschöpfe beschrieben – und zu einem Zoo gehören eben auch Raubtiere, die in ihren Gehegen an die Grenzen gehen und auch darüber hinaus – wenn man sie denn lässt. Eine offene Tür wird sich keine Hyäne entgehen lassen.

Wem Udo Foht wohl geschrieben hat? Und was er wollte? Geld, schon klar, aber wofür und mit welcher Begründung? Es spricht nicht für meine kriminelle Energie, dass mir dazu spontan nichts einfällt. Wem würde ich denn schreiben, wenn ich betrügerisch veranlagt wäre und MDR-Briefpapier mit meinem Namen drauf zur Verfügung hätte? Vielleicht: "Sehr geehrte Betreiber des Pflegeheims Haus der Geborgenheit in Borna, als Unterhaltungschef des MDR erlaube ich mir, Ihnen für den aus der von mir verantworteten Sendung ,Alles Gute' gezogenen neuen Lebensmut Ihrer Insassen Euro 6.870 für das Jahr 2010 in Rechnung zu stellen. Bitte überweisen Sie binnen zehn Werktagen auf mein Konto … Mit freundlichen Grüßen …" Wir werden es erfahren.

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