Kolumne Generation Camper: Gute Droge, schöner Trip

Der Wald ist Ökologie und Kulturgut. Außerdem verspricht er eine gesteigerte Sinneswahrnehmung. Er ist das LSD des kleinen Mannes.

Bezaubernde Streifzüge durch den Wald. Bild: imago/Manngold

Man sollte nicht jedem Rat zur Selbsterkenntnis folgen, den eine Schamane gibt. In einen Wald zu gehen und sich vier Stunden lang unter einen schönen Baum zu setzen, wie es Christian Rätsch unlängst im Magazin Wald propagierte, kann sehr hart werden.

Wenn die Glieder steif und kalt werden, der Rücken schmerzt und sich Käfer, Ameisen, Mücken und anderes Getier auf dem Körper tummeln, wird es quälend. Ein Vorgefühl von „Grabesruhe“. Fraglich, ob das gesund ist. Aber der Wald hat was. Dieses „Heiligtum der Deutschen“. Nachts macht er vielen Menschen Angst. Tags macht er glücklich – wie vor allem Wanderer wissen.

Der Wald ist Ökologie, er ist Kulturgut - und er ist eine Droge. Das weiß niemand besser als der Schamane Rätsch selbst, der im bürgerlichen Beruf Ethnopharmakologe und Altamerikanist ist und eine „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“ verfasst hat. Rätsch kennt jedes Kraut und jeden Pilz, die es einem ermöglichen, vier quälend lange Stunden unter einem Baum zu sitzen und sich dabei einen komfortablen Rausch zu gönnen. Aber ohne?

Interessanterweise hielt es auch der Schweizer Chemiker Albert Hofmann mit dem Wald. Hofmann hatte 1943 das fabelhafte LSD entdeckt. Berühmt geworden in den Diensten des Pharmaherstellers Sandoz, erzählte er gern Persönliches: wie er als Junge durch sonnendurchflutete Frühlingswälder streifte und wie es dann war mit seinem mystischen Erleben. „Es war, als ob die Bäume, die Blumen mir ihr wahres Wesen offenbaren wollten, und ich fühlte mich in einem unbeschreiblichen Glücksgefühl mit ihnen verbunden.“

Wunderbare Träume und gesteigerte Sinneswahrnehmung verspricht auch LSD. Glaubt man Hofmann, dann sind sich seine Empfindungen im Wald und die psychedelischen Wirkungen der Labordroge sehr ähnlich. Wir wären der Natur entfremdet, beklagte er. LSD betrachtete er zeitlebens als sein „Sorgenkind“. Als es dann als Medikament verboten wurde, bedauerte er das aber sehr. Bleibt der Wald. Wir sollten gut auf ihn achtgeben.

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