Kolumne Habibitus: Smile Like An Alman

Selbst Freundlichkeit kommt in Deutschland passiv-aggressiv daher. Bestes Beispiel: Der Balken an der Supermarktkasse.

Eine Frau und ein Mann lächeln vor dem Kühlregal eine Pakung Staudensellerie an.

Klaro: Als ob auch nur ein Alman im Supermarkt so freundlich wär'… Foto: phtotocase / greycoast

Kennt ihr das, wenn eine_r nicht garstig erscheinen will, aber für ein herzliches Lächeln nicht genug Energie oder Motivation aufwenden kann? Weil ich glaube, dass Almans das sehr gut kennen.

In Situationen, in denen alle anderen Menschen ihre Mundwinkel nach oben (oder nach unten, da hat jede_r einen eigenen Style) ziehen würden, gibt es einen bundesweiten, länder- und dialektübergreifenden Code für erzwungene Freundlichkeit.

Die Person (meist 1 Alman) drückt dabei beide Augen zu einem Zwinkern. Gleichzeitig presst sie_er auch die Lippen zusammen, manchmal zusätzlich in die Breite, sodass dieser Gesichtsausdruck mit einem Lächeln verwechselt werden könnte.

Gelegenheiten für diese Gesichtsakrobatik gibt es zur Genüge, so gut wie immer ersetzen sie ein Schmunzeln oder Lächeln. Beispielsweise, wenn eine_r mit ihnen – wenn auch versehentlich – einen Blickkontakt austauscht.

Symbolische Trennung

Oder im Supermarkt an der Kasse, wenn eine_r hinter ihnen ansteht, die eigenen Lebensmittel auf das Laufband stellt und keinen dieser Balken dazwischen, um die beiden Einkäufe voneinander zu trennen.

Das kann daran liegen, dass eine_r annimmt, dass ein halber Meter Platz zwischen den Einkäufen auf dem Band als symbolische Trennung ausreichen sollte. Vielleicht waren auch gerade alle Balken vergriffen und eine_r wartete darauf, dass neue zur Verfügung stehen.

Aber eben nie, um die Zeit aller Beteiligten, inklusive der kassierenden Person, zu verschwenden und fünf Minuten vor Ladenschließung noch mal nach dem Motto „Alles kann, nichts muss“ das System durcheinanderzubringen.

Ein durchschnittlicher Alman würde sich in dieser Situation also den nächsten griffbereiten Balken auf den Tresen knallen – als ginge es darum, eine Nabelschnur und damit eine unangenehme, intime Verbindung in Sekundenschnelle durchzutrennen, weil sie sonst organisch zusammenwachsen würde und die Spuren für immer sichtbar –, sich umdrehen und genau dieses liebenswerte Anti-Lächeln in deine Fresse drücken.

Als wären zehn Stunden Lohnarbeit und ein rückläufiger Merkur nicht genug zu ertragen.

Deutscher Habitus

Und dann eben noch dieses subtil arrogante, abwertende, pseudo-gönnerhafte Doppelzwinkern, das sich in ein „Deine Inkompetenz hätte dich gerade fast dein unversehrtes Auge gekostet, aber ich schlage keine Mädchen, lol“ übersetzen lässt.

Diese Mimik ist natürlich nicht genetisch veranlagt, sondern deutscher Habitus, für dessen Angewöhnung wir alle anfällig sind.

In dem Moment, in dem wir bemerken, dass wir Freundlichkeit verlernt und passiv-aggressive Körpersprache adaptiert haben, ist es schon zu spät: Integrationstest bestanden, da hinten steht eine Dose Sauerkraut für dich. Ab dem Punkt hilft nur noch: verlernen, verlernen, verlernen.

Und übrigens: Ein Stirnrunzeln beansprucht viel mehr Gesichtsmuskulatur als ein Lächeln. Also, gönnt euch hart von Entspannung her!

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