Kolumne Habseligkeiten: Die Tiefkühlministerin

Manchmal weiß man einfach nicht, was man tun soll. Gut, wenn das Bundeskabinett hilft!

Auf der Anrichte unserer Küche steht ein Brotkasten. Nicht so ein Metallriegel mit Klappe oder ein Sperrholzteil mit Minijalousie, sondern ein schlichtes, schwarzes Viereck aus Melamin, das wir mit einem extradicken Schneidebrett verschließen. Der Kasten ist so schön wie teuer und schickt sich damit an, ein Design-Klassiker zu werden.

Wir legen, um diesem "Objekt" gerecht zu werden, nur Öko-Dinkel-Grünkern-Vollkorn-Brote vom Biobäcker oder ähnliches Tralala vom Markt hinein. Hin und wieder fische ich nach einer Woche, in der die Kinder auswärts frühstücken und wir eigentlich gar nicht, grün-moderige Restscheiben aus dem Kasten und werfe sie in den Müll.

Am Montagmorgen betrachtete ich ein ehemals ofenfrisches Baguette. Würde es den Weg ins Verderben gehen oder sollte ich es allein aus Pflichtgefühl essen? So stand ich dort, und es sind ja häufig diese kleinen Entscheidungen, an denen man wahnsinnig wird, da hörte ich plötzlich die Stimme unserer Verbraucherschutzministerin. Ilse Aigner sagte mir, sie äße sehr viel Brot auf. "Bevor es alt wird, friere ich es ein. Da kann man es gut wieder auftauen und auf den Toaster legen", riet die CSU-Frau.

Anstatt dankbar für diesen guten Tipp zu sein, drehte ich mich um und sagte "Jaja" in Richtung des Radios aus dem sie sprach, denn ich glaubte ihr kein Wort: Brot vergammelt und verdirbt. Entweder man kauft zu wenig, dann randalieren die Kinder, oder zu viel, dann gibt es mal wieder kaltes Abendessen, aber nur, wenn man auch rechtzeitig für Käse gesorgt hat.

Dass nicht immer das eine oder das andere klappt, führt zu dem wirklich bedauernswerten Umstand, dass jeder von uns hin und wieder Brot weg wirft, die meisten mit schlechtem Gewissen. Filme wie "Taste the Waste", zu dem Aigner am Montagmorgen im rbb-Inforadio interviewt wurde, weisen zu Recht darauf hin, und jede Hungersnot macht deutlich, dass wir viel zu nachlässig mit unseren Lebensmitteln umgehen.

Aber ist gelegentlich Brot wegzuwerfen, ein so massiver Sündenfall, dass unsere Ministerin diesen nicht eingestehen darf und stattdessen durchschaubaren Unsinn redet? Ich schnitt das Baguette in dünne Scheiben und stopfte es in den Toaster. Während der glühte und leckeres Acrylamid produzierte, versuchte ich Ilse Aigner zu verstehen.Und wenn sie die Wahrheit spräche, wäre es dann nicht auch bedenklich, dass sie Tiefkühler betreibt, nur um Brotreste einzufrieren?

Was würde Norbert Röttgen dazu sagen? Oder noch wichtiger, denn die Dame ist bei der CSU und hier steht das C nicht für Zukunft sondern für "christlich", also was würde Jesus zu Frau Aigner sagen? Sicher würde Norbert Röttgen seine Kabinettskollegin etwas wegen ihrer CO2-Bilanz schelten, Jesus hingegen wäre voll des Lobes, schließlich wisse sie, dass man jeden Laib Brot behandeln müsse, als versorge er 5.000.

Ich bestrich das Baguette mit den letzten Resten unseres Stockelsdorfer Pflaumenmus. Schlecht schmeckte es eigentlich nicht. "Ich werde weniger wegwerfen", nahm ich mir vor. Immer die Wahrheit sagen hingegen fand ich schon gar nicht mehr so wichtig.

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