Kolumne Katastrophen: MLF oder MILF - das ist die Frage!

Welcher Art von Frauenbewegung möchte ich angehören?

Da liegen zwei Zeitungen nebeneinander auf dem Küchentisch zwischen Marmelade, Brot und Milchkaffee. Sie sind aus der gleichen Woche und auch nicht wirklich wahnsinnig unterschiedlich in ihrer Weltanschauung. Beide aufgeschlagenen Geschichten haben entfernt mit blonden Vollweibern in ihren besten Jahren zu tun: Alice Schwarzer und Stifler's Mom. Und da klafft auf einmal dieser Riss und teilt den Küchentisch in zwei Äonen weit voneinander entfernte Hälften auf. Da prangt es hier, druckerschwarz auf schmutzigweiß: MLF. Und da: MILF.

Bei MLF handelt es sich - fürchterlich abgekürzt, denn schließlich wissen Sie das ja sicher alles längst und vielleicht sogar aus viel unmittelbareren Quellen - um die Mouvement de Libération des Femmes. Die zu Beginn der 1970er aufkeimende Emanzipationsbewegung. Im "Manifest de 343" bekannten sich Anfang der 1970er-Jahre 343 Französinnen zu ihrer Abtreibung, darunter die de Beauvoir, die Sagan und die Duras. Alice Schwarzer importierte die Idee, und 28 deutsche Frauen zierten die Juni 1971-Ausgabe des Stern mit der gleichen Zeile. Voilà: Die MLF war geboren.

Wie es zu dieser Zusammenarbeit gekommen war, steht alles da. In dieser Zeitung auf dem Küchentisch, gleich neben dem Brotkrümel: 1970 besucht Alice Schwarzer Jean-Paul Sartre in seiner Wohnung für ein Interview. Und wie sie so dasitzt, in ihrem Minirock, kommt Frau Beauvoir herein und wirft ihr einen üblen, üblen Blick zu. "Tête de chameau", Kamelkopf, heißt ihr berühmter, ablehnender Gesichtsausdruck. Aber dann lässt sie sich von diesem Minirock doch nicht täuschen, und die wichtigste Theoretikerin der Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts (S. d. B.) verhilft der künftigen Wortführerin des deutschen Feminismus (A. S.) in die Startlöcher. Simone de Beauvoir warnt, bald werde wieder eine Zeit kommen, in der man den Frauen nicht nur die Kunst des Geschirrspülens, sondern auch die der Mutterschaft preisen werde.

Und hier kommt Stifler's Mom ins Spiel. Für alle, die sich nicht mehr genau daran erinnern, wer zur Hölle Stifler ist, geschweige denn dessen Mom: Steve Stifler, auch bekannt als "Stiffmeister", ist eine der Hauptfiguren aus dem amerikanischen Film "American Pie", Mutter aller "Teenager wollen Sex und kriegen es nicht auf die Reihe"-Komödien. Ein eher unterbelichteter Charakter, der stets mit seiner angeblichen Männlichkeit herumprotzt und am Ende irgendwie immer in einer Fäkalsituation landet. Seine Mom Jeanine, eine laszive Cognacschwenkerin, verführt Stiflers käsegesichtigen Schulfreund zu den Klängen von "Mrs. Robinson" und begründet damit den Mythos der MILF: Mom I'd like to fuck ("Mutter, mit der ich gern Geschlechtsverkehr haben möchte").

Und damit wären wir bei Zeitung Nummer zwei. Die MILFs haben es dank Expopsternchen Britney Spears aus der Film- in die reale Welt geschafft: Einige Zeit vor der Empfängnis trug sie ein ziemlich enges Unterhemd mit der Aufschrift: "MILF in Training." Und in der Zeitung, die da auf meinem Küchentisch liegt, schreibt eine bekennende Berliner MILF davon, wie es sich so lebt als MILF. Und zwar: gaaanz toll. Seit der Geburt ihres Kindes werde sie viiieeeel öfter von Männern angesprochen, offensichtlich, wie das bei MILFS so ist, weil sie gerne Geschlechtsverkehr mit ihr hätten. Und das, so ihre eigene, stolze Vermutung, liege sicher daran, dass sich ihre Brüste dank des Kindes nicht mehr im Zustand 75 A befänden. Eine andere Erklärung hat sie nach Recherche im Freundeskreis parat: Viele Männer, darunter ihr eigener, fänden Frauen mit Kindern viel attraktiver, denn das sei "wie ein Gütesiegel". Weil garantiert schon einmal jemand mit den Betreffenden Geschlechtsverkehr hatte?

Der Riss im Küchentisch ist immer noch da. Jeden Morgen klafft er mir entgegen und speit Fragen aus. "Würde Alice Schwazer ein MILF-Thirt tragen?" - "Was sagt die Berliner 'Nicht mehr 75 A'-MILF zu MLF?" - "Was ist mit Stifler's Mom?" und "Was willst du überhaupt sein: MLF oder MILF?"

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