Kolumne Konservativ: Kick it like Adenauer

Konservative von heute beklagen immer wieder den Lauf der Dinge. Es umgibt sie eine Aura des Jammerns. Wie unsexy. Das war mal anders.

Suchbild: Wo ist der knorrige Konservative? Bild: reuters

Manchmal wünsche ich mir, es gäbe noch richtige Konservative. Nicht diese Wischiwaschikonservativen wie Ursula von der Leyen, die für alles Sympathie zeigt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Sondern knorrige Kerle wie Konrad Adenauer.

„Ich bin diktatorisch, nur mit stark demokratischem Einschlag.“ Das sagte Adenauer im August 1949 seiner Bundestagsfraktion, kurz bevor die ihn zum Bundeskanzler wählen sollte. Da war ein Diktator, an den die Anwesenden sicher nicht nur gute Erinnerungen hatten, gerade mal vier Jahre tot.

Adenauer scherte das nicht. Er sicherte sich nicht rhetorisch in alle Richtungen ab. Der alte Mann wollte nicht allen Wählern gefallen, sondern einer genügend großen Anzahl von ihnen, um regieren zu können: „Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen.“ Diese knorrige Festigkeit fehlt den Konservativen des Jahres 2013.

Heute umgibt sie eine Aura des Jammers. Sie wissen bestenfalls, was sie nicht wollen. Sie beklagen den Zeitgeist, der „Wertebeliebigkeit“ befördere. Aber wofür sie stehen, wissen sie nicht.

"Das Ding ist so schlecht"

Der „Berliner Kreis“ der CDU beispielsweise. Das lockere Bündnis selbst erklärter CDU-Funktionäre wollte 2012 sein Verständnis von Konservatismus zu Papier bringen. Das „Manifest“ blieb in der Schublade. Beteiligte sollen über das Papier geurteilt haben: „Das Ding ist so schlecht, da gibt es nichts zu veröffentlichen.“

Auch große Teile der AfD eint kein halbwegs kohärentes konservatives Weltbild, sondern Affekte. Sie sehen sich permanent in der Defensive: gegenüber verlogenen Parteien, gieriger EU und noch gierigeren Banken. Diese Ansichten sind wenig originell und nicht automatisch „rechts“. Was ihnen aber große Wucht verleiht, ist die Attitüde des Bevormundeten: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Eine Freundin sagte mir neulich: „Männer sind sexy, wenn sie tun, worauf sie Lust haben.“ Hingegen beklagen deutsche Konservative sich 2013 über all das, was sie davon abhalte, zu tun, worauf sie Lust haben: Veggie Day, Kitaausbau, Tempolimit. Konservative wirken dann attraktiv, wenn sie einen inneren Kompass haben. Dann kann man mit ihnen streiten und sie dabei achten.

Die wenigen aber, die sich heute noch konservativ nennen, verschränken die Arme vor der Brust und schmollen, weil die böse Welt sich weigert, ihre subjektiven Ansichten als allgemein verbindlich anzusehen. Wie unsexy. Doch was erzähle ich Ihnen. Sie haben ja sicher Volker Kauder am Wahlabend gesehen.

Die Schmollkonservativen

Was all diese Schmollkonservativen nicht verstehen: In der Politik geht es nicht darum, recht zu haben, sondern recht zu behalten. Der Satz stammt nicht von mir, sondern vom ersten Bundeskanzler. Heutige Konservative würden sich mit Adenauer wohl nicht so gut verstehen.

Mal überlegen: Wer kommt dem knorrigen CDU-Patriarchen heute am nächsten? Wen interessiert sein Geschwätz von gestern heute nicht mehr, und wer ist darauf auch noch stolz? Horst Seehofer.

Horst Seehofer?! Manchmal, wirklich nur manchmal, wünsche ich mir, es gäbe noch richtige Konservative.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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