Kolumne Kreaturen: Vampire brauchen eine Lobby!

Irgendwo in Bonn residiert ein Bundesamt für die Belange der Hexen, Orks, Engelsblüter und anderer magischer Wesen. Was hat es damit auf sich?

Das Wappentier des Bundesamtes für magische Wesen: der Bundeslurch. Bild: BAfmW

Papst Benedikt XIV. sprach im 18. Jahrhundert den Vampiren das Existenzrecht ab und erklärte sie zu einem Irrglauben. Papst Benedikt XVI. ließ 2009 durch seinen Kino-Beauftragten vor den „Twilight“-Filmen warnen.

Angesichts derartiger Diskriminierungen dürfte klar sein, dass es Kindern von Vampiren – auch aus Mischehen, etwa mit Menschen oder Werwölfen – nicht zuzumuten ist, einen katholischen Kindergarten zu besuchen. Und entsprechend wurde in den Ausführungsbestimmungen zum Kindertagesstättengesetz festgelegt, dass Kinder magischer Herkunft einen Anspruch auf eine religiös nicht imprägnierte Tagesmutter haben.

Dieser kleine Gesetzeszusatz ist einer der größten Lobbyerfolge des Bundesamtes für Magische Wesen, des BAfmW, mit Sitz in Bonn (Bielefeld wäre irgendwie passender gewesen, aber nun gut). Es vertritt Dämonen und Drachen genau wie Elfen und Gestaltwandler, sauber aufgeteilt in rund 20 Fachabteilungen, vom „Referat für ’kleine Völker‘“ über das „Referat Telepathie und morphische Resonanz“ bis zur „Experimentellen Abteilung für Schwarze Künste und Pentagramme“.

Das klingt wie ausgedacht? Das ist es auch. Aber hey: In einem Land, in dem es eine Bundeslotsenkammer, ein Bundessortenamt und eine Bundesmonopolverwaltung für Branntwein gibt, kann man sich doch auch eine Bundesbehörde für Fantasywesen gut vorstellen. Wobei das BAfmW ja wirklich ein Lobbyverband für seltsame Gestalten ist: Es tritt ein für die Belange deutscher Fantasy-Autoren, denen ihre Arbeit im Schatten von Harry Potter und Twilight unterrepräsentiert erscheint.

Und damit das Amt bekannter wird, kommt es jetzt sogar ins Kino. Mithilfe von Crowdfunding wurde im September ein dreiminütiger Imagefilm produziert, der von der „Konferenz der Magischen Wesen“ in einem Bonner Tagungshotel erzählt. Der Spot soll ab Dezember im Vorprogramm von „Der Hobbit 3“ laufen.

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Okay: Die Ausführung des Films ist trotz der liebevoll selbstgenähten Kostüme der Cosplay-Komparsen und trotz eines eindrucksvollen CGI-Drachen eher mau. Man merkt ja immer dann ganz gut, was Schauspieler alles können, wenn man Nichtschauspielern beim Schauspielen zusieht. Und die Dialoge in den Büchern der Fantasy-Autoren sind hoffentlich auch besser als das Drehbuch des Kinospots.

Aber darum geht es ja gar nicht – das Tolle am BAfmW ist, mit welcher Liebe hier eine imaginäre Behörde geschaffen wurde. Als Präsident und parlamentarischer Kontrolleur wurden Edmund Friedemann Dräcker und Jakob Maria Mierscheid reaktiviert, die schon seit Jahrzehnten als fiktive Gestalten durch den deutschen Parlamentarismus geistern. Es gibt eine fiktive Entstehungsgeschichte, es gibt ein eigenes Wappentier (den hinreißenden Bundeslurch), es gibt einen kleinen Souvenirshop und es gibt wunderbare Fallbeispiele („Eines der sieben Königreiche der Dschinnen will sich gar der EU anschließen. Was sagt Angela Merkel dazu?“)

Von einer derartigen Detailversessenheit können sich gefühlt 99 Prozent der deutschen PR-Klitschen, deren teuer verkauftes „Storytelling“ sich auf mäßig interaktive Social-Media-Gewinnspiele mit abgenudelten C-Promis beschränkt, eine dicke Scheibe abschneiden. Und vielleicht wird das BAmfW ja eines Tages auch eine echte Behörde – in Island gibt es schließlich auch eine Elfenbeauftragte.

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Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.

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