Kolumne Laufen: Essen bedeutet Rechnen

Kommt etwas in den Körper hinein, dann muss ebenso viel wieder verbraucht werden. Eigentlich jedenfalls.

Sie haben es bestimmt gelesen. Nach dem 30. Lebensjahr nehmen wir Männer 800 Gramm pro Jahr zu. Einfach so, ohne Zutun, vom Älterwerden. Das haben Wissenschaftler jetzt herausgefunden. Ich überschlug kurz verschiedene Rechengänge, setzte das Ergebnis mit meinem Alter und Gewicht in Verhältnis und stellte fest, vor 14 Jahren wog ich 48 Kilo. Komisch nur, dass mir die Hosen von damals immer noch passen. Jetzt aber im Ernst.

Ich gehe doch davon aus, dass mein Wirken im Amt als Kolumnenlaufexperte der taz nicht ganz so unauffällig geblieben ist, wie das Wirken unseres Exwirtschaftsminister Michael Glos während der jetzigen Wirtschaftskrise. Aus diesem Grund müsste ich nicht weiter ausführen, warum mein Gewicht über Jahrzehnte immer gleich geblieben ist. Jahr ein, Jahr aus. Doch ich mache es trotzdem. Der Schlüssel zum Glück ist Laufen.

Es ist im Grunde ganz einfach: Essen bedeutet Rechnen. Kommt etwas in unseren Körper hinein, dann muss genauso viel wieder verbraucht werden. Als Auffülllager sind unsere Zellen eben nicht gebaut.

Eine kleine Beispielrechnung am Rande: Eine Tafel Rittersport minus eine Stunde Dauerlauf ist gleich null Gramm Gewichtszunahme. Tja, die einen leisten sich ein Feierabendbier, ich leiste mir einen Dauerlauf und danach ein Bier. So einfach ist das. Doch keine Angst, so extrem, wie ich schreibe, lebe ich natürlich nicht.

Neulich hatte ich eine fantastische Einladung zum Essen. Fünf Gänge sollte es geben. Der Zeremonienmeister fragte mich wenige Tag vorher, ob es etwas gebe, was ich nicht esse. Als Kochvater der Schulmensa hätte ich natürlich selbst zum Kochlöffel greifen können, doch es stand die Behauptung im Raume, er wäre ein wahrer Meister. Zur Beweisführung musste also gekocht werden. Und ich muss gestehen, es hat fantastisch geschmeckt, Beweis erbracht.

Zunächst servierte er irgendetwas mit Lachs. Drumherum gekünsteltes Grünzeug. Toll. Dann die Suppe, ein Traum. Schließlich ein bisschen Salat, mit Walnuss whatever. Dann ein Stück Wild, ich sage ihnen, zum Reinknien. Kritiker am Tisch meinten zwar, es wäre zu trocken gewesen, doch ich sage ihnen, kein bisschen. Dazu karamellisierte Karotten. Oder gab es die zwischendurch? Ach egal. Es wurde Wein gereicht und Schnaps.

Ein Essen vom Feinsten. Und um eines klarzustellen, nicht ein einziges Mal überlegte ich mir, wie viel ich laufen müsste, um das alles wieder rauszuschwitzen. Doch gelaufen sind wir an diesem Abend natürlich auch.

Erinnerungen wurden wach, an verpasste Chancen und unentdeckte Talente. "Als junger Kerl bin ich 5:54 Minuten auf 1.000 Meter gelaufen im Sportunterricht, mit einer Zigarettenpause. Leistungsverweigerung pur", erzählte ein Gast voller Stolz. Klar ging das damals in Tübingen, schließlich kam ich viel später in die Stadt. Doch es war schon sehr spät am Abend, weit nach zwei Uhr, viele Weinflaschen waren leergetrunken und deshalb wollte ich keine Grundsatzdiskussion zur generellen Bewegungslage der 68er Generation eröffnen.

Vielmehr hörte ich Geschichten, die das Leben schrieb. Von Lautsprecherboxen, die in einem eiligen Handel auf dem Gehweg in Köln den Besitzer wechselten, Konzerttauglichkeit versprachen und doch nur Flohmarktwert hatten. Von Damenunterwäsche, die zwar vermeintlich ihren Reiz, aber eben auch ihren Preis hat. Am Ende eines herrlichen Abends, wir waren im Begriff aufzustehen, kam die Frage auf: Gibt es noch das Gute auf der Welt? Jeder hielt inne und überlegte.

Da stand der Meisterkoch auf und formulierte bühnenreif den Satz: "Wo ich, da gut." Wir bogen uns vor Lachen und natürlich nahmen wir das nicht ganz so ernst. Vor wenigen Tagen aber stellte er auch diese Aussage ausdrücklich unter Beweis: Wer in einer katholischen Kirche falsche Münzen in den Opferstock wirft, dass es zwar klimpert und sonst aber nichts, der kann von sich mit Fug und Recht behaupten: "Wo ich, da gut."

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