Kolumne Liebeserklärung: Die Bedeutung von Null

Wolfgang Schäuble nimmt 600 Milliarden jährlich ein, trotzdem spart er, wo es nur geht. Und wir? Finden ihn alle toll. Dank seiner Propaganda.

Mer gäbet nix, hier gibt es zero zu holen ... Bild: dpa

Waren Sie mal auf der Website des besten Finanzministers der Welt? Gehen Sie mal hin, Sie werden viel lernen über moderne Propaganda. Dort sehen sie erst mal nur eine riesige Null. Leicht grau hinterlegt mit den Bögen eines massiven Gebäudes, im Euroschein-Design, ein Wasserzeichen der Stabilität. Dazu der Slogan „Die Null steht“, zum Bundeshaushalt 2014.

Daneben der Minister mit kontrastreich ausgeleuchtetem Bild, wie die Büste eines antiken Philosophen und der Sprechblase „Wer den Wohlstand und den Sozialstaat in Europa schützen will, der muss permanent an der eigenen Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.“

Wir sehen also den einzigen Finanzminister der Welt, der aus eigenem Verdienst einen ausgeglichenen Haushalt geschafft hat. Und er weiß, was jetzt gilt: Nicht nachlassen, der Chinese schläft nicht, und der Sozi will Geld ausgeben. Der Minister aber schützt.

Wie sieht es in der Wirklichkeit aus? Auch gut. Wir haben so viele Arbeitsplätze wie noch nie, Rekordprofite. Dummerweise muss trotzdem überall gespart werden, die Brücken verrotten, die Länder können keine Erzieher bezahlen, und die Gemeinden ächzen.

Wie kann das sein, oh Finanzminister? Das steht im Unterholz der Website, in den aktuellen Monatsberichten: 600 Milliarden Staatseinnahmen im Jahr 2014, aber davon nur 37 Milliarden für die Gemeinden. Und wer zahlt? Die Verbraucher (etwa 300 Milliarden Mehrwert- und andere Konsumsteuern), die Angestellten (180 Milliarden) und kleineren Unternehmer (65 Milliarden). Wer zahlt wenig: Firmen (21 Milliarden), Vermögende (8 Milliarden) und Erben (5,5 Milliarden).

Dafür lieben wir Sie auch, Minister: Sie seifen uns so herrlich ein mit Ihrer Seriosität. Und die Hälfte des Bruttosozialprodukts zahlt kaum Steuern. Toll gemacht.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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