Kolumne Liebeserklärung: Die Enteignung

Ein hartes Wort mit „-ung“ verdrängt die wachsweichen Wohlfühlbegriffe aus den Debatten der linken Mitte. Sogar die Generation Erbe mag es.

Ein Transparent mit der Aufschrift "Berlin wehrt sich" hängt am Fenster eines Gebäudes

Die Eigentumsfrage treibt Linke durchaus noch um Foto: dpa

Die SPD forderte sie bis 1959 in ihrem Grundsatzprogramm. Robert Habeck – der Mann, den die linksliberale Erbengeneration mit Eigentumswohnung anhimmelt – will sie auch, als letztes Mittel jedenfalls. Und inzwischen hat jeder gemerkt, dass das Wort „Enteignung“ sogar im Grundgesetz steht: Artikel 14, Absatz 3, Satz 1. Die kühle deutsche Nachsilbe „-ung“ markiert entweder einen Befehl (Achtung), einen Vorgang (Einigung), etwas Bürokratisches (Satzung) oder eben das Si­gnal, dass es ans Eingemachte geht. Linke Veteranen der siebziger Jahre werden sich an „Vergesellschaftung“ oder „Sozialisierung“ erinnern.

In den vergangenen 30 Jahren dominierten in der linken Mitte wachsweiche Wohlfühlwörter wie Gerechtigkeit, Modernität und Chancen, von denen man nie wusste, ob sie von der Bertelsmann-Stiftung diktiert waren. Jetzt kehrt ein hartes Wort mit „-ung“ zurück, eine Ansage. Linken – zumindest denen, die die öffentliche und veröffentlichte Meinung bestimmen – wird vorgeworfen, dass sie sich zu sehr um Identität, Gendersternchen, Vätermonate und anderes „Gedöns“ (Gerhard Schröder) gekümmert hätten. Die von Basisinitiativen forcierte Enteignungsdebatte zeigt, dass die Eigentumsfrage Linke durchaus noch umtreibt.

Der Wohnungsmarkt funktioniert nicht, weil es kein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage mehr gibt. Große Wohnungsunternehmen streichen Monopolgewinne ein (auch so ein schönes hartes Wort). Wenn der Markt nicht funktioniert, kann der Staat eingreifen, das wissen sogar die Anhänger Ludwig Erhards. Oder, wie Marx-Kenner sagen würden: Der Tauschwert der Ware Wohnung ist inzwischen um ein absurd Vielfaches höher als der Gebrauchswert. Mit dem Gebrauchswert hat das, was man inzwischen an Miete zahlt, nichts mehr zu tun.

Es gab bereits einmal in Deutschland eine Massenbewegung für Enteignungen. 1926 sprachen sich fast 15 Millionen von 40 Millionen wahlberechtigten Deutschen in einer Volksabstimmung für die Enteignung der Fürstenbesitztümer aus. Ziemlich bemerkenswert, weil sich noch acht Jahre zuvor die Deutschen von den Fürsten ziemlich klaglos hatten regieren lassen. Es gibt durchaus Parallelen: Großbesitzer von Boden und Wohnraum sind immerhin die Fürsten dieser Tage.

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