Kolumne Luft und Liebe: Bücher, diese geilen Dinger

Frauen, die lesen, denken oder schreiben, sind nicht normal. Sie sind gefährliche, schlaue, heiße Biester. Mit Gefühl und so.

Hoffentlich vergisst sie nicht, den Tisch abzuräumen. Bild: flickr, National Media Museum

Es ist kompliziert mit den Frauen. Stefan Bollmann ist einer, der das weiß. Er hat im Jahr 2005 ein Buch geschrieben, das heißt „Frauen, die lesen, sind gefährlich“. Fünf Jahre später, 2010, schrieb er noch eins: „Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug“. Man darf auf das Jahr 2015 gespannt sein. Kommt dann „Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug und völlig crazy“?

Es gibt vom selben Autor auch noch die Bücher „Frauen, die denken, sind gefährlich und stark“ und „Frauen, die schreiben, leben gefährlich“. Man wartet auf „Frauen, die Wäsche waschen, sind normal“ und „Frauen, die die Klappe halten, sind lässig“.

Letzte Woche ist jedenfalls ein neues Buch von Bollmann erschienen: „Frauen und Bücher. Eine Leidenschaft mit Folgen“. Frauen lesen nicht aus Interesse oder aus Neugier, sie lesen aus – Überraschung – Leidenschaft.

Frauen lesen anders als Männer, findet Bollmann, nicht so „auf Fakten und Information aus“, sondern mit Gefühl und so. Nur Frauen können „so lebensnah, so sprühend vor Begeisterung“ vom Lesen sprechen. Emotionale kleine Biester. Würde ich keine Frauen kennen, würde ich nach Bollmanns Buch denken, Frauen stöhnen und zittern, sobald sie einen Roman in die Hand nehmen. Bücher, diese geilen Dinger.

In einem Werbevideo von Bollmanns Verlag DVA heißt es zu sanfter Klaviermusik: „Welche unsichtbare Macht hat da von den Frauen Besitz ergriffen?“ So ist es nämlich: Frauen greifen nicht, sie werden ergriffen. Hui, da schnappte der dunkle Ritter sich die hotte Prinzessin, und sie nur noch so: „Oh.“

Lesen ist sexy

Weiter heißt es im Video: „Lesen ist sexy. Lesen ist weiblich.“ Den Satz „Lesen ist sexy“ findet Bollmann so großartig, dass er ihn seinem Buch als Motto voranstellt. Das ist hart. Da macht sich jemand auf über 400 Seiten die Mühe, Fakten über lesende Frauen zu sammeln – und was bleibt? Lesen ist sexy. Nicht kämpferisch, cool, subversiv, sondern: sexy. Finde den Fehler.

Angeblich konnte sogar Marilyn Monroe lesen, stellt Bollmann fest. Seine Frauenlesegeschichte gipfelt übrigens in Fanfiction und „Shades of Grey“ als „vorläufigem Endpunkt in der Entwicklung des modernen, auf eine weibliche Leserschaft zielenden Romans“. Ja, was braucht es auch mehr?

Ich möchte aber gar nicht so darauf rumreiten. Herr Bollmann macht sich viel Arbeit und hat ja letztlich auch recht. Bevor ich meine Kolumnen abtippe, schreibe ich sie immer mit rosa Tinte vor, auf parfümiertem Briefpapier (im Sommer Maiglöckchen, im Winter Lilie). Ich brauche das, um mich emotional mit dem Text zu verbinden. Wie eine Mutter, die sich ihr Neugeborenes auf den Bauch legt und ihm in die Augen schaut. Da sollte man nicht dazwischengehen.

Das Abtippen ist dann so eine Art Abstillen, der Beginn der Trennung. Es ist ziemlich hart und ich weine dabei oft, aber nur leise (mein Freund tröstet mich, wenn er von der Arbeit kommt). Wenn ich den Text abgeschickt habe, lese ich ein bisschen Jane Austen, das packt mich immer so und da komme ich dann gleich auf andere Gedanken. Obwohl, „Gedanken“ ist das falsche Wort. Ich meinte eigentlich Gefühle.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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