Kolumne Luft und Liebe: Ein besorgtes Landwirbeltier

Ein Pflanzenforscher klärt über die „Genderisten“-Gefahr auf. Ihretwegen würden nämlich Alphafrauen heute alle kinderlos sterben.

Katta guckt dumm

Ah, noch ein Wirbeltier! Sie als Experte, was sagen Sie dazu? Foto: imago / Olaf Wagner

Sie haben es sicher schon gehört: Feministinnen wollen eine Diktatur errichten und alle Naturwissenschaft zerstören, aber weil sie keine Kinder kriegen wollen, werden sie einfach aussterben.

Haben Sie noch nicht gehört? Na ja. Ich musste es auch erst aus dem Radio erfahren, im Inforadio vom rbb wurde es mir gründlich erklärt. Da durfte über eine halbe Stunde lang ein Mann einem Mann erklären, warum Feminismus scheiße ist. Erfrischend wie ein Autounfall.

Folgendes durfte man da lernen: Ulrich K., ein sehr renommierter Professor, der in Kassel lehrt und in Stanford (übrigens eine sehr renommierte Universität), hat die Schnauze voll. Er findet, Gender-Mainstreaming (also der Versuch, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen) ist so eine Art Krebsgeschwür der Wissenschaften. „Wir stehen kurz vor einer Genderisierung der Biologie“, sagt Ulrich K. Die ganzen Genderstudies-Leute hätten zwar nicht so geile Professuren wie er (C4!), seien aber trotzdem eine Gefahr. Erwähnte ich, dass Herr K. sehr renommiert ist? Sehr.

Herr K. möchte „Klartext reden“, und das ist immer gut. Er ist sehr dankbar für die Heterosexualität seiner Eltern, sonst wäre er heute nicht da und könnte uns nicht erklären, dass unfruchtbare Menschen ein „Designfehler der Natur“ sind und Inter- und Transsexuelle einfach krank. Schwule kommen als Schwule zur Welt (und wenn sie Pech haben, bringen sie sich halt um), weiß Herr K., Lesben aber nicht, die haben nämlich „den ganz starken Wunsch nach einem Kind“ wie jede Frau und paaren sich trotzdem mit Männern. Das sei auch der einzig wahre Sex, denn „wir Landwirbeltiere“ hätten nun mal so Sex, dass der Mann die Frau befruchte.

Experte für Pflanzenphysiologie

Und jetzt kommen die „Genderisten“, und Herr K. hat Angst: „Alles, was Biologen seit 200 Jahren in Tausenden von Publikationen erarbeitet haben, das ist alles auf der Müllkippe zu entsorgen – das steht uns jetzt bevor.“ Das wird Herr K. sich aber nicht gefallen lassen. Klar.

Ulrich K. wurde vorgestellt als Inhaber des Lehrstuhls für Evolutionsbiologie. Auf seiner Homepage erfährt man, dass er hauptsächlich für Pflanzenphysiologie zuständig ist. Es ist schwierig für ihn, mit Leuten von den Gender Studies zu reden, weil die ja von seinem Fach bzw. „den Fakten“ nichts wissen. Herr K. hat durch gewisse magische Umstände von all den Gendersachen bei Menschen trotzdem Ahnung, auch wenn ihm die Literatur dazu unbekömmlich ist. Er gerät sehr in Rage, als er erklärt, dass es ihm unmöglich ist, irgendwelche „Gender-Bücher“ zu lesen. „Das ist ’ne Religion! Ne Sekte, ’ne feministische Sekte, die uns da ihren Unsinn aufdrückt und alle machen mit.“

Es ist nämlich so: „Wenn jetzt eben die hochdotierten Stellen von Quotenfrauen belegt sind“, dann fehlen die noch höher qualifizierten Männer, die diese sich zur Paarung aussuchen müssten. „Das heißt, die hochqualifizierten Möchtegernalphaweibchen sterben alle kinderlos aus.“ Es sei immerhin „ein riesiges Glück, dass natürlich gebliebene, normal gebliebene Frauen noch immer das evolutionäre Erbe in sich tragen und sich […] den Alphamännchen zuwenden.“ Die Männer fühlen eh, was richtig ist. „Männer sind quasi die Urviecher in uns“, weiß Herr K.

(Was kostet eine C4-Professur?)

Neulich erst wurde Herr K. derbe wegzensiert von der Genderdiktatur, als er einen Text veröffentlichen wollte, in dem er sagte, dass die „Genderisten“ genauso scheiße sind wie die Kreationisten, und dass sie eine blöde Pseudowissenschaft machen, die „den deutschen Steuerzahler jährlich viele Millionen Euro kostet“. (So eine C4-Professur kostet natürlich auch was, aber reden wir nicht darüber.)

Man kann das jetzt natürlich als menschenverachtende, sozialdarwinistische, hetzerische Scheiße beschreiben, die auf Unmengen von Missverständnissen basiert und Hass sät, aber man möchte ja nicht hysterischer dastehen als nötig.

Herr K. ist vielleicht einfach ein sehr besorgter Bürger. Die kennt man ja. Wahrscheinlich gründet er bald „Lagiva – Landwirbeltiere gegen die Ideologisierung von allem“, oder „Urgfdu – Urviecher gegen die Feminisierung des Universums“.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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