Kolumne Macht: Deutschlands goldene Zukunft

Die deutschen Goldreserven im Ausland können nicht besichtigt werden. Vorausgesetzt, sie sind noch da – was nützt uns eigentlich all das schöne Gold?

Schade, dass das Gedächtnis der Öffentlichkeit im Allgemeinen kurz ist. Jahrelang hat der inzwischen verstorbene SPD-Abgeordnete Hermann Scheer – ein weltweit geachteter Fachmann für erneuerbare Energien, ausgezeichnet mit dem alternativen Nobelpreis – dafür geworben, ratenweise die deutschen Goldreserven zu verkaufen, um damit Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Zum Stopfen kurzfristig entstandener Löcher hätte der Erlös nicht verwendet werden dürfen, sondern nur für die nachhaltige Modernisierung der Gesellschaft. Also beispielsweise für die Energiewende.

Was hat er sich nicht alles anhören müssen! Schon wieder so ein durchgeknallter Linker, der das Tafelsilber verscherbeln möchte. Eine ausgesuchte Schnapsnase. Der wolle doch nur Schleimpunkte bei den Wählern sammeln. Und, besonders hübsch: Schon wieder ein Politiker, der populistisch das Geld anderer Leute abgreifen will. Welcher Leute eigentlich? Man weiß es nicht so recht. Bundestagsabgeordnete dürfen den Schatz jedenfalls, wie sich jetzt herausgestellt hat, nicht einmal anschauen.

Die meisten der rund 3.400 Tonnen Gold sind seit Jahrzehnten im befreundeten Ausland untergebracht. Jedenfalls möchte man hoffen, dass sie da lagern. Schon lange hat nämlich, wie erst durch eine entsprechende Kritik des Bundesrechnungshofes bekannt wurde, niemand mehr nachgeschaut, ob die Barren tatsächlich noch da sind.

Zwei CDU-Abgeordnete wollten das nachholen und dafür nach London und Paris reisen. Aber so einfach geht das natürlich nicht. Die britische und die französische Nationalbank haben – leider, leider – in ihren Tresorbereichen keinen Besucherraum, wie Carl-Ludwig Thiele von der Bundesbank den Wissbegierigen erklärte. Deshalb konnten Philipp Mißfelder und Marco Wanderwitz die Bestände nicht in Augenschein nehmen. Man muss so etwas verstehen. Noch so netter Besuch noch so guter Freunde kommt eben manchmal ungelegen.

Und warum überhaupt nachschauen? Thiele verwies in einem Brief an den Präsidenten des Bundesrechnungshofes auf die „allerhöchste Reputation und Bonität“ der Partnernotenbanken. Na, dann ist ja alles in Ordnung. Erfreulich, dass man es nicht bei der griechischen Zentralbank gelagert hat.

All das sind Plänkeleien. Irgendjemand hat da über Bande gespielt, um nette Meldungen zu produzieren. In der Tat ist schwer vorstellbar, dass Washington, Paris oder London heimlich deutsches Gold beseiteschaffen. Wäre das der Fall, dann hätten wir wahrlich Anlass zu großer Sorge, nicht nur um unsere Barren.

Aber was nützt uns eigentlich all das schöne Gold, auch wenn es da ist? Zinsen bringt es nicht, die Goldbindung von Währungen ist längst abgeschafft, eine Kriegskasse brauchen wir ja angeblich nicht mehr, die Bundesbank hat als Hüterin der Währungsstabilität seit Einführung des Euro ausgedient.

Gegenwärtig entspricht das deutsche Gold einem Wert von mehr als 130 Milliarden Euro. Was sich damit alles anfangen ließe! Ob die SPD nicht doch noch einmal den alten Plan von Hermann Scheer etwas genauer anschauen sollte? Gerade weil das Gedächtnis der Öffentlichkeit eben kurz ist, könnte die SPD-Spitze das Thema ganz neu erfinden. Sie müsste Scheer nicht einmal das ihm zustehende Urheberrecht einräumen. Wäre das nicht toll? Eine echte Goldgrube für Wahlkämpfer.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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